Die Daten der Tracing-App, mit der Kontakte von Covid19-Infizierten nachverfolgt werden können, sollen in Deutschland laut Bundesregierung ausschließlich dezentral gespeichert werden. Das ist ein radikaler Kurswechsel. Wann die App zum Download bereitsteht, ist aber immer noch unklar.
In Australien gibt es sie schon, die Corona-Tracing-App. Der Gesundheitsminister persönlich hat sie am Sonntag (26.04.2020) vorgestellt. In Deutschland ist dagegen immer noch kein Termin für die Veröffentlichung der App bekannt gegeben worden. Immerhin steht aber jetzt scheinbar fest, wie die Daten gespeichert werden sollen. Darüber war in den vergangenen Tagen gestritten worden.
Zentral gegen dezentral
Bis Freitag war die Bundesregierung noch dafür, die Daten mit den Kontakten auf einem zentralen Server zu speichern. Diese Lösung sollte unter dem Dach eines europäischen Konsortiums namens PEPP-PT entwickelt werden. Doch diese Lösung ist jetzt vom Tisch. PEPP-PT hatte zuletzt immer mehr an Unterstützung verloren.
- Mitte April: Erste renommierte Forschende ziehen sich aus dem Projekt zurück
- 20. April: Protestbrief von 300 internationalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gegen die zentrale Lösung
- 24. April: Offener Brief, den unter anderem der CCC und die Gesellschaft für Informatik unterschrieben haben
Grund für den Widerstand gegen die zentrale Architektur war die Angst vor dem möglichen Missbrauch der Daten – die Sorge, dass dadurch der Überwachung der Nutzer durch staatliche Behörden oder private Firmen Tür und Tor geöffnet werden könnte.
Widerstand war groß
Was am Ende den Ausschlag für den radikalen Kurswechsel der Regierung gegeben hat, ist nicht bekannt. Unser Netzreporter Andreas Noll sieht aber drei wichtige Punkte:
- Die große Lobby für den besseren Datenschutz und die dezentrale App
- Die Angst davor, dass die Debatte der vergangenen Tage schon so viel Vertrauen in der Bevölkerung zerstört hat, dass die zentrale App keine Chance auf weite Verbreitung gehabt hätte. Vertrauen ist für eine App, deren Nutzung auf Freiwilligkeit beruht, aber äußerst wichtig: Bereits vor dem Streit waren es nur 56 Prozent der Deutschen, die so eine App installieren wollten – Experten halten das für zu wenig.
- Auch die IT-Giganten Google und Apple wollen ein dezentrales System – das macht die Programmierung einer zentralen App natürlich nicht einfacher.
"Vertrauen ist für eine App, deren Nutzung auf Freiwilligkeit beruht, essenziell."
Die Nachverfolgung des Virus wäre für Epidemiologen mit der zentralen Variante technisch einfacher gewesen. Bei der dezentralen Variante werden die Listen, welchen anderen Handys Nutzerinnen und Nutzer in der letzten Zeit nahe gekommen sind, nämlich ausschließlich auf den Handys der Nutzer gespeichert.
Die Regierung sucht jetzt nach Möglichkeiten, wie das Robert-Koch-Institut und die Forschenden auch mit der dezentralen Variante das Infektionsgeschehen gut verfolgen können. So sollen die Nutzer in der App zum Beispiel "freiwillig in pseudonymisierter Form Daten zur epidemiologischen Forschung und Qualitätssicherung an das RKI übermitteln können", so Gesundheitsminister Spahn in der "Welt am Sonntag".
Weiterhin vieles unklar
Wie das genau funktionieren soll, ist allerdings unklar. Es gibt noch genug Herausforderungen, die zu lösen sind:
- Das nötige permanente Bluetooth-Signal könnte für die Akkulaufzeit einiger Handys zum echten Problem werden.
- PEPP-PT war ursprünglich ein europäisches Projekt, mit der die Warnung über das Handy auch länderübergreifend funktionieren sollte. Länder wie Frankreich
wollen aber – Stand heute – bei einer zentralen Architektur bleiben. Die Möglichkeiten einer grenzübergreifenden Funktionalität sind dadurch wahrscheinlich passé
Auch zeitlich wird es noch ein paar Wochen dauern, so Spahn am 26. April in den Tagesthemen. Wenn alles glatt läuft, könnten wir die App in Deutschland also vielleicht Mitte Mai nutzen.