Ischgl wurde zur Coronavirus-Schleuder in Europa. Jetzt klagen österreichische Verbraucherschützer – zusammen mit bislang über 4500 Urlaubern. Der Vorwurf: Die Behörden in Tirol hätten zu spät vor einer Ansteckung mit Sars-CoV-2 gewarnt und Quarantäne verhängt.
Eine Woche Pisten-Gaudi und Après-Ski – das war der Plan von Ludger Görg und seinen Freunden, als sie Anfang März aus Montabaur nach Ischgl aufbrechen. Vor ihrer Abreise haben sie sich über die aktuelle Lage informiert. Sie waren sich aber nicht über die Gefahr bewusst, erzählt der Imbissbetreiber.
"Wir haben uns davor noch erkundigt, dass bis dato in ganz Österreich erst zwei Corona-Fälle bekannt waren. Und da dachten wir: Na gut, dann sind wir auf der sicheren Seite."
Während dem Aufenthalt werden sie nicht über eine mögliche Ansteckungsgefahr informiert, sagt Ludger Görg. Es hätte keine Warnung gegeben – nicht von den Behörden, nicht über die Medien, und auch nicht im Hotel. Die Freunde verbringen einen sorglosen Urlaub in Tirol – dann fahren sie zurück nach Rheinland-Pfalz. Ludger Görg fühlt sich unwohl, er wird krank und es stellt sich heraus: Er hat sich mit dem Coronavirus infiziert. Seinen Imbiss muss er auf unbestimmte Zeit schließen.
Urlauber sind sauer
Jetzt hat er sich einer Klage eines österreichischen Verbraucherschutzvereins gegen die Behörden in Ischgl angeschlossen. Er ist damit einer von mittlerweile über 4500 Tirol-Urlaubern. Es sind schwere Vorwürfe, die auf dem Tisch liegen: Sie hätten zu spät vor einer Infektionsgefahr mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 gewarnt und Quarantäne verhängt.
Ein Rückblick
Die Après-Ski-Bar Kitzloch in Ischgl: Bekannt für ausgelassenen Partyspaß. Dort soll einer der Barkeeper positiv auf den Covid-19-Erreger getestet worden sein – und trotzdem weiter gearbeitet haben. Alle Kollegen und Gäste aus Deutschland, Skandinavien und anderen Länder hätten sich angesteckt, so der Verdacht. Die Touristen hätten das Virus dann mit in die Heimat genommen und es dort weiterverbreitet.
Staatsanwaltschaft ermittelt
Der Verdacht muss nun überprüft werden. Und das gestaltet sich nicht so einfach: Es werden Aussagen von Zeugen und Betroffenen gesammelt, denn die Berichte allein von Urlaubern reichen nicht aus. Die Staatsanwaltschaft brauche vor allem Zeugen, die beweisen können, dass beispielsweise jemand in einer Bar gearbeitet hat, obwohl er nachweislich positiv auf Corona getestet wurde. Bisher sei es aber schwer, solche Aussagen zu bekommen, sagt Srdjan Govedarica, ARD-Korrespondent in Wien. Wie es weitergeht ist deshalb ungewiss.
"Es könnten drei Szenarien folgen: Ein Strafverfahren, Privatklagen oder eine außergerichtliche Einigung."
Die Tiroler Gesundheitsbehörden und die Landesregierung wehren sich gegen die Vorwürfe. In den vergangenen Wochen haben sie immer wieder beteuert, sie hätten alles richtig gemacht – auch in Absprache mit der Bundesregierung in Wien. Doch fragt man in Wien nach, kommt seit Wochen immer dieselbe Antwort. Zuletzt hat sich Gesundheitsminister Rudolf Anschober am 14. April geäußert: Er könne Fehler nicht ausschließen, wolle aber mit einer Aufarbeitung warten bis die Krise überstanden sei.
"Nachdem wir die Krise überstanden haben, werden wir selbstverständlich transparent einen Schlussstrich ziehen und auch Fehler, die vielleicht begangen wurden, auch schonungslos darstellen."
Ludgar Görg ist enttäuscht von den Reaktionen der Politik. Er findet klare Worte: "Diese Arroganz ist zum Kotzen. Ich wünsche mir, dass die kapieren, dass sie so mit Menschen nicht umgehen können." Nun hofft er auf Schadensersatz. Die Krankheit hat er mittlerweile erfolgreich überstanden, aber er habe 10.000 Euro Verlust mit seinem Imbiss gemacht, erzählt er. Um Geld ginge es ihm in erster Linie aber nicht, sagt er, sondern darum, dass die Verantwortlichen endlich einsehen, dass ein Menschenleben wichtiger ist als "jeder beschissene Euro."
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