Die russische App "FindFace" zeigt gerade, wie einfach wir zu überwachen sind, wenn wir schon mal ein Bild in sozialen Netzwerken hochgeladen haben.
Gesichtserkennung kann eine tolle Sache sein, und sie hat in den vergangenen Jahren extreme Fortschritte gemacht: Ihr könnt euren Computer entsperren, indem ihr ihm einfach euer Gesicht zeigt. Ihr könnt eure Fotos automatisch danach sortieren, wer auf ihnen abgebildet ist, oder ihr könnt bei Snapchat euer Gesicht mit dem eurer Mutter swappen.
Aber Gesichtserkennung kann auch unheimlich und gefährlich sein und uns die letzten Reste von Anonymität klauen - wie die viel diskutierte russische App "FindFace" gezeigt hat. Die braucht nach eigenen Angaben nur ein Foto von einem Menschen auf der Straße oder in der Bahn, um ihn in einem sozialen Netzwerk wiederzufinden. Trefferquote: 70 Prozent.
Die App der beiden russischen Millenials Alexander Kabakov und Artem Kukharenko hat in den vergangenen Wochen und Monaten nicht nur in Russland für Schlagzeilen gesorgt. Zum einen haben User eines russischen Internetforums Screenshots aus Pornovideos durch die FindFace-Gesichtserkennung gejagt und haben damit die VKontake-Profile der Darstellerinnen gefunden. VKontakte ist so etwas wie das russische Facebook. Und dann haben sie die Kontakte der Pornodarstellerinnen angeschrieben und ihnen gesagt, in welchen Filmen die Frauen mitgespielt haben.
Und dann gab es noch mal Presse für FindFace in Zusammenhang mit dem Kunstprojekt des Fotografen Egor Tsvetkov. Der hatte für sein Projekt "Your Face is Big Data" in der U-Bahn x-beliebige Mitfahrer fotografiert und dann mit FindFace die passenden VKontakte-Profile gefunden. Er stellte in seinem Projekt dann die Fotos aus dem Netz und die Fotos aus der Bahn nebeneinander, was einem beim Betrachten recht deutlich machte: Wer in einem sozialen Netzwerk sein Profilfoto hochgeladen hat, kann in Zukunft von jedem gefunden werden.
Besser als Google
Bisher funktioniert das nur bei VKontakte, Facebook hat strengere Datenschutzeinstellungen. Aber die beiden Fälle zeigen recht deutlich auf, was technisch derzeit möglich ist.
FindFace durchsucht 200 Millionen Userkonten bei VKontakte. Und der Algorithmus der App namens FaceN ist dann binnen Sekunden in der Lage, eine mögliche Übereinstimmung mit den über eine Milliarden Profilfotos auszuspucken. Er analysiert mit Hilfe von maschinellem Lernen Strukturen im Gesicht, die sich nicht verändern lassen, auch wenn der User zum Beispiel eine Brille aufhat oder sich schminkt.
Der Algorithmus ist so gut, dass er bei einem Wettbewerb an der University of Washington, bei dem es darum ging, Gesichter in großen Mengen von Fotos zu erkennen, eine Trefferquote von über 70 Prozent erreichte. Er war besser als die Gesichtserkennung von Google.
Mehr als eine Dating-App
FindFace bewirbt seinen Dienst in Russland in erster Linie als Dating-App, aber das ist nur ein Gimmick. Eigentlich geht es Alexander Kabakov and Artem Kukharenko um Größeres. Nach Angaben der Entwickler ist schon die Moskauer Stadtverwaltung an sie herangetreten: Sie sollen ihren Algorithmus über die Bilder der 150.000 Überwachungskameras laufen lassen und dabei Kriminelle ausfindig machen.
Außerdem sieht FindFace eine großes Potenzial bei Marketing und Einzelhandel. Kabakov schilderte dem Guardian folgendes Szenario: Ein User steht in einem Geschäft und schaut sich Lautsprecher oder einen Player an. Mit einem Klick findet der Einzelhändler seine Identität heraus und kann ihn in den nächsten Tagen mit passender Werbung beglücken.
Das findet Kabakov nicht weiter schlimm. Wir seien heute von Gadgets geradezu umzingelt. Unsere Telefone, Fernseher, Kühlschränke sendeten ständig Echtzeitinformationen über uns. Wir müssten damit leben, dass wir in der modernen Welt ständig unter dem Radar bestimmter Unternehmen und Behörden seien.
Tokio überwacht schon in 3D
Ein Szenario, dass in Städten wie Tokio schon real ist. Die Polizei in Tokio stellt gerade ihre Überwachungskameras auf 3D um. Das heißt, die Kameras können jetzt noch besser tote Winkel erfassen und ein Gesicht identifizieren.
Das Blog Mobile Geeks ist sich sicher: Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis ähnliche Möglichkeiten auch Anbietern wie Facebook zur Verfügung stehen. Jedes hochgeladene Bild könnte spätestens dann auf entsprechende Verbindungen zwischen den darauf abgebildeten Personen analysiert werden.
Facebook und andere Besitzer ähnlich großer Datenbestände wäre dann in der Lage, auch Jahre zurückliegende Verbindungen zwischen Personen zu erkennen, allein auf der Grundlage des vorliegenden Bildmaterials. Noch ist es nicht so weit: Ein Gericht in San Francisco hat drei Nutzern recht gegeben, die gegen die Gesichtserkennungsfunktion von Facebook klagen wollen.