Mit ihrer Firma Teramark Technologies entwickelt Yvonne Hofstetter Algorithmen zur intelligenten Datenauswertung. Damit gehört sie zu den Datensammlern in unserem System. Und trotzdem - oder gerade deswegen übt sie Kritik: An Big Data, an der Sammelwut und an der Bewertung und Analyse von menschenbezogenen Daten durch Maschinen.

Yvonne Hofstetter weiß ziemlich genau, wovon sie redet, wenn es um "Big Data" geht. Sie entwickelt und verkauft Algorithmen, die dafür sorgen, dass Computer immer selbständiger und intelligenter große Datenmengen miteinander verknüpfen und auswerten. Eine Entwicklung vor der sie in ihrem Buch "Sie wissen alles" ausdrücklich warnt. Ihr eigenes Geburtsdatum verschweigt sie lieber.

"Bei uns gibt es Bad Big Data und Good Big Data. Und wir versuchen immer in dem Bereich Good Big Data zu sein. Und da bin ich eben ein bisschen der Moralist."
Yvonne Hofstetter plädiert für einen moralisch fundierten Umgang mit Big Data

Die Mensch-Maschine-Unschärfe

Aber warum haben wir überhaupt Probleme mit Big Data? Was macht die Datensammelwut so beängstigend? Yvonne Hofstetter erklärt das an einem einfachen Beispiel: Wenn zum Beispiel am Flughafen die Menschen aus dem Flieger steigen, dann greifen alle erst mal zu ihren Smartphones. Das ist wie ein dritter Arm, den wir dazu benutzen, um uns in der Welt der Daten - der Welt der Maschinen zu bewegen. In der Welt der Maschinen werden dann Daten über uns gesammelt, die wir mit unserem dritten Arm sozusagen dort hineingeben.

Was dann passiert, ist logisch, sagt Yvonne Hofstetter: In der Welt der Maschinen werden wir eben auch wie Maschinen behandelt. Wir werden gelesen - von Algorithmen oder anderen intelligenten Maschinen zum Beispiel. Und hier verliert man ein Stück weit seine Menschlichkeit, denn was hier zählt sind Daten, binäre Codes, Einsen und Nullen.

"Bei Big Data geht es um nichts anderes. Wir sind da auch nur ein Teil, der geregelt und gesteuert gehört. Wir werden hineingezogen in diese Maschinenwelt und dort sind wir in der Wahrnehmung der Maschine eben auch nichts anderes als eine Maschine. Das wird aber dem Menschen nicht gerecht."
Yvonne Hofstetter erklärt, was die Reduktion auf ein Datengerüst mit dem Menschen macht

Wer findet den Fehler?

Längst sind Maschinen in der Lage, Prozesse auszuführen und durchzuarbeiten, die so komplex sind, dass selbst ihre überaus smarten Erfinder sie nicht mehr komplett nachvollziehen können. Sie werden mit einem Szenario X gefüttert, spielen die verschiedenen Parameter durch und entwickeln dann selber ein Szenario Y. Das Schwierige an der Sache: Wenn wir als Menschen diesen Prozess nicht mehr vollständig nachvollziehen können, müssen wir dem vertrauen, was die Rechner ausspucken. Und das kann fatale Folgen haben.

Denn am Ende werden die Maschinen von Menschen gefüttert. Und Menschen machen Fehler. Kommt niemand diesem Fehler auf die Spur, entscheiden die Maschinen, was richtig ist und was falsch. Das kann dazu führen, dass unsere Bank uns keinen Kredit mehr gibt, weil vielleicht irgendwo ein falscher Haken gesetzt wurde oder eine fehlerhafte Information vorliegt. Oder dass wir plötzlich auf Überwachungslisten von Geheimdiensten landen, weil die Kombination unserer Hobbys keinem statistischen Standardwert entspricht. Und vielleicht haben wir auch nur das Falsche gegooglet.

So funktioniert Big Data

Big Data heißt nicht nur große Datenmengen. Das ist nur ein Teil eines dreistufigen Prozesses. Der besteht zum einen daraus, zunächst einmal Daten zu sammeln. Und dank großer Speicherkapazitäten auf riesigen Servern kann man das fast unendlich tun. Im zweiten Schritt werden die gesammelten Daten zusammengeführt, um neue, relevante Informationen zu erhalten. Im dritten Schritt geht es ums Handeln und Entscheiden.

"Das ist eigentlich ein ziemlich perfider Schritt. Das ist der der Kontrollstrategie. Die kommt aus der Regelungstechnik und dort versucht eine Kontrollstrategie einen Stimulus zu setzen, um eine Antwort, einen Response zu erhalten."
Am Ende geht es darum, uns zu manipulieren, sagt Yvonne Hofstetter

Im Klartext heißt das: Wenn die Datenlage beispielsweise aus meinem Facebook-Profil darauf hinweist, dass ich Depressionen haben könnte, wird mir Werbung für Anti-Depressiva angezeigt. Das ist dann der Stimulus, der direkt auf eine Person angewendet wird. Dann wartet man die Antwort darauf ab. Kauft die Person, also ist der Stimulus erfolgreich, wird die Kontrollstrategie - also die Maschine - versuchen, weitere Stimuli zu setzen, um mit weiteren Kaufanreizen mehr Geld zu verdienen. Denn genau darum geht es letzten Endes - um Manipulation.

Datennutzung muss gesetzlich geregelt werden

Aufgrund ihrer Erfahrungen in der Branche fordert Yvonne Hofstetter, dass die Nutzung von Daten gesetzlich geregelt werden muss, um Missbrauch zu verhindern. Sie sieht die Autonomie des Menschen gefährdet. Im Moment so sagt sie, liege ein großer Teil der Daten in den Händen weniger Firmen. Es gibt zwar Gesetze, die den Umgang mit Daten regeln, aber die sind leicht zu umgehen.

​"Das Sammeln, das Speichern, das Auswerten, der Weiterverkauf von Daten jeder Art ist in Deutschland und Europa verboten, es sei denn, es ist erlaubt. Und erlaubt werden kann es per Gesetz, zum Beispiel Vorratsdatenspeicherung, oder über einen zweiten Tatbestand, das sind die berühmten Nutzungsbedingungen."
Die Gesetze zum Datenschutz haben eine Hintertür, sagt Yvonne Hofstetter

Gerade die Nutzungsbedingungen öffnen Firmen Tür und Tor zum Datenmissbrauch. Denn dort steht oft, dass wir mit der Nutzung des Services - eines Social Media Netzwerks zum Beispiel - auch der Nutzung unserer Daten zustimmen. Damit haben wir unsere Erlaubnis erteilt, dass die Daten verwendet werden dürfen und zwar ziemlich ausdrücklich. Das Problem an der Sache: Niemand liest sich diese Nutzungsbedingungen genau durch. Auch Yvonne Hofstetter nicht, gibt sie zu.