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2.137 Drogentote hat es 2024 in Deutschland gegeben. Die Statistik zeigt auch: 14 Prozent der Toten sind unter 30. Wir fragen: Warum steigen die Zahlen? Was läuft in der Prävention schief? Bina war selbst abhängig und erzählt, was ihr geholfen hat.

Es war die höchste Zahl seit der ersten Erfassung im Jahr 1973: 2023 hat es in Deutschland 2.227 drogenbedingten Todesfällen gegeben. Und auch 2024 bleib die Zahl mit 2.137 hoch. Der Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Hendrik Streeck, stellte sie Anfang Juli 2025 vor und betonte dabei, dass mit 14 Prozent der Anteil der unter 30-Jährigen besorgniserregend hoch sei.

Drogenmischungen machen Konsum so gefährlich

Binas bester Freund war einer von denen, die 2024 gestorben sind. Im Dezember, um genau zu sein. "Er ist an einer Überdosis gestorben", erzählt Bina. "Es war Heroin beziehungsweise Fentanyl, das beigemengt war. Doch das wusste er nicht." Bina, die hier nur mit Vornamen genannt werden möchte, war früher selbst drogenabhängig. Heute arbeitet sie in einem Verein für Drogen-Selbsthilfe in Köln.

Bina hat zunächst mit den Drogen weitergemacht, auch aus Neugier, weil sie wissen wollte, wie sich die einzelnen Drogen fühlen lassen, erzählt sie. "Als ich das erste Mal konsumiert habe, dachte ich: Wow, so müssen sich Menschen fühlen, denen es gut geht." Von da nahm Bina regelmäßig Heroin. Anfangs dachte sie, sie hätte alles unter Kontrolle. Doch dann, sagt sie, konnte sie nicht mehr ohne. Deshalb suchte sie sich einen Substitutionsplatz, zu dem sie jede Woche 70 Kilometer weit fuhr. Der Weg aus der Sucht hat sich ausbezahlt. Bina hat es geschafft, doch über die Jahre hat sie immer wieder Freundinnen und Freunde an illegale Drogen verloren.

Anonymes Drug-Checking: Wissen, was drin ist

Der Tod von vielen, die Drogen konsumieren, wäre vermeidbar, wenn es mehr Drug-Checkings gebe, sagt Bina. Das ist eine chemische Analyse von Drogen mit dem Ziel, potenzielle Konsumenten vor besonders gesundheitsschädlichen Substanzen zu warnen. Hätte ihr zuletzt verstorbener Freund damals bei dem Test erfahren, dass seiner Dosis neben Heroin Fentanyl beigemischt worden war, hätte er bestimmt nicht konsumiert, glaubt Bina.

"Fentanyl ist hochpotent, das hat also eine vierfach höhere und stärkere Wirkung als Heroin."
Bina, Verein für Drogen-Selbsthilfe in Köln

Nicht zu wissen, was welchen Drogen beigemischt wurde, ist ein großes Problem und macht den Konsum so gefährlich, bestätigt Dirk Schäffer, Referent für Drogen und Strafvollzug bei der Deutschen Aids-Hilfe. Er beobachtet zudem, dass nicht wie früher bestimmte Substanzen konsumiert werden, sondern: "Es wird konsumiert, was verfügbar ist."

Rolle von Drogen bei Social Media

Zudem unterschätzen seiner Meinung nach viele Menschen die Wirkung. "Das ist bei synthetischen Cannabinoiden so. Die haben eine extrem hohe Potenz. Es kann zu Atemlähmung, einem epileptischen Anfall oder eben auch zum Tod führen."

"Ich kann über Telegram mein Koks-Taxi anrufen. Das hat alle anderen Substanzen auch im Angebot."
Dirk Schäffer, Referent für Drogen und Strafvollzug bei der Deutschen Aids-Hilfe

Doch auch der Zugang zu illegalen Drogen ist über die letzten Jahrzehnte leichter geworden, so Dirk Schäffer. Und der Konsum selbst würde über soziale Medien angekurbelt: "Da gibt es ja quasi Wettbewerbe. Junge Menschen filmen sich beim Drogenkonsum, wie sie ohnmächtig werden oder wie sich ihre Pupillen verändern." Nicht zuletzt sei in Clubs die Einnahme psychoaktive Substanzen inzwischen viel verbreiteter und selbstverständlicher als früher. Das alles trage dazu bei, dass auch die Zahlen der Drogentoten insgesamt steige.

Forderung: Drogen müssen entstigmatisiert werden

Angesichts der Entwicklung ist klar, dass sich etwas ändern muss, und zwar etwas Grundsätzliches, meint Dirk Schäffer. Er plädiert für eine Entstigmatisierung von Drogen und spricht sich damit gegen den seit Jahrzehnten von der Politik gefahrenen generalpräventiver Ansatz, der die Substanzen nicht nur verbietet, sondern auch den Besitz unter Strafe stellt.

"Gerade bei jungen Menschen sehen wir, dass sie aus Angst vor Strafverfolgung den Weg ins Hilfesystem so lange vermeiden, bis es tatsächlich nicht mehr geht."
Dirk Schäffer, Referent für Drogen und Strafvollzug bei der Deutschen Aids-Hilfe

Außerdem fordert er, so wie Bina, flächendeckendes Drug-Cheching. Die positiven Effekte seien in anderen Ländern durch wissenschaftliche Studien belegt worden. Genauso wie Drogenkonsumräume auch. "Davon muss man kein Fan davon sein", sagt Dirk Schäffer, "aber die Wirksamkeit ist nun mal unbestritten. In 35 Jahren ist in diesen Einrichtungen bei Millionen Konsumvorgängen kein einziger Mensch verstorben."

Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an unboxingnews@deutschlandradio.de

Shownotes
Crack, Kokain, synthetische Opioide
Warum immer mehr junge Menschen an Drogen sterben
vom 21. Juli 2025
Moderation: 
Rahel Klein
Gesprächspartner: 
Dirk Schäffer, Referent für Drogen und Strafvollzug bei der Deutschen Aidshilfe
Gesprächspartnerin: 
Bina, war früher drogenabhängig