Wenn Konzert-Tickets zu ungewöhnlich hohen Preisen angeboten werden, deutet das auf Dynamic Pricing hin. Diese Verkaufsstrategie richtet sich nach der Nachfrage. Heißt: Je mehr Menschen auf ein Konzert wollen, desto teurer wird's, desto weniger können sich das leisten.
Wer ein Ticket für die Tour von Superstar Beyoncé im Sommer für Hamburg, Köln oder Frankfurt kaufen wollte, der hat für eine Karte zwischen 70 und 500 Euro bezahlt. Trotz der hohen Preise waren die Deutschland-Shows schnell ausverkauft. Die Beyoncé-Tour ist kein Einzelfall. Fans von Taylor Swift etwa mussten für eine Karte für ihre Shows in den USA bis zu 1.000 Dollar hinlegen!
Den Rekord für teure Konzerttickets hält aktuell aber wahrscheinlich Musiklegende Bruce Springsteen. Für seine Tour gingen Tickets für 5.000 Dollar in den Verkauf. Die Fans des Rockmusikers haben deswegen getobt.
Bruce Springsteen selbst hat die hohen Ticketpreise zwar nicht direkt befürwortet. Er sagte aber dem Rolling-Stone-Magazin. das sei eben das, was alle machen würden. Bevor die Ticketbörsen oder Drittanbieter das große Geld mit den Karten für seine Konzerte machen, mache er es lieber selbst.
Dynamic Pricing: Der Algorithmus regelt den Ticketpreis
Das, was laut Bruce Springsteen alle machen würden, nennt sich Dynamic Pricing. Das bedeutet, die Preisgestaltung orientiert sich an der Nachfrage. Also: Möchten viele Menschen eine Karte für ein Konzert kaufen, steigen die Kartenpreise. Bleibt die Nachfrage bis zum Ende des Ticketverkaufs hoch, werden die Tickets extrem teuer, erklärt Deutschlandfunk-Nova-Reporter Nico Rau. Dabei helfen den Anbietern Algorithmen. Sie analysieren in Echtzeit die Nachfrage und passen die Preise ebenfalls in Echtzeit entsprechend an. Nach oben im Zweifel.
"Tickets haben zwar einen Startpreis. Der Preis ist aber nicht fix. Steigt die Nachfrage, steigen auch die Ticketpreise."
Beim Online-Shopping wird Dynamic Pricing schon lange eingesetzt. Dafür greifen die Seiten auf verschiedene Daten zurück und passen die dynamischen Preise quasi auf die jeweiligen Kund*innen an. Die Preisgestaltung richtet sich dann zum Beispiel nach:
- Preisen anderer Online-Shops
- Wochentag (am Wochenende sind die Preise oft höher)
- Uhrzeit (Abends wird meistens mehr Geld verlangt als tagsüber)
- Wetter
- Online-Shops, wo die Kund*innen sonst einkaufen
- Betriebssystem (iOS oder Android)
Diese dynamischen Preise sind rechtlich gesehen auch erlaubt. In Deutschland regelt die Preisangabenverordnung solche Angelegenheiten. Sie schreibt weder vor, dass Preise für alle gleich sein müssen, noch, dass sie für längere Zeit stabil sein müssen. Die Unternehmen dürfen Preise in der Regel frei festlegen.
Ticketanbieter in Deutschland
Es stellt sich also die Frage, ob die Ticketanbieter in Deutschland Dynamic Pricing nutzen oder nicht. Deutschlandfunk Nova hat bei den beiden größten Anbietern – Eventim und Ticketmaster – nachgefragt.
Laut Ticketmaster sei die dynamische Preisgestaltung unter Ticketverkäufern gängig. Und auch nicht neu: Dynamic Pricing gebe es in Deutschland schon seit 2018. Eventim hingegen hat sich zu den dynamischen Preisen nicht konkret geäußert, sondern darauf verwiesen, dass die Preise von den Veranstaltern festgesetzt würden, nicht von den Tickethändlern.
Deutschland vs. USA
Hier hilft ein Blick auf den Ticketmarkt: Ticketmaster kommt aus den USA. Dort hat der Ticketanbieter ein gewisses Monopol. Denn Ticketmaster und der große Konzertveranstalter Live Nation haben vor einer Zeit fusioniert. Den Kartenverkauf und die Umsetzung einer Show wickelt also der gleiche Konzern ab. "Deswegen können sie auch selbst entscheiden, dass sie Dynamic Pricing nutzen", erklärt Nico Rau.
In Deutschland ist das anders: Es gibt zwar auch einen Marktführer, Eventim, aber es gibt auch viele verschiedene Konzertveranstalter. In Deutschland hat also weder ein Ticketanbieter noch ein Konzertveranstalter eine Monopolstellung wie in den USA.
Was Eventim in unserer Anfrage allerdings offengelassen hat, ist, wie sich der Ticketanbieter verhält, wenn ein Veranstalter dynamische Preise einsetzen möchte.
"In Deutschland ist nicht vorgeschrieben, dass Preise für alle gleich oder für längere Zeit stabil sein müssen."
Hohe Preise: Dynamic Pricing nicht immer der Grund
Für hohe Ticketpreise gibt es auch noch weitere Ursachen neben Dynamic Pricing. Manche Ticketverkäufer halten zum Beispiel ein bestimmtes Kontingent an Karten zurück. Die Karten geben sie erst dann in den Verkauf, wenn alle übrigen schon weg sind.
Die Restkarten verkaufen sie beispielsweise als sogenanntes Platin-Ticket zu einem hohen Preis. Wobei der Name der Tickets in die Irre führt. In der Regel haben Fans keinen Mehrwert von so einem Platin-Ticket. Sie bezahlen einfach nur mehr.
Ein anderer Grund für teure Konzertkarten kann bei den Künstler*innen und Bands selbst liegen. Für manche von ihnen sind Konzerte die Haupteinnahmequelle geworden. Das Musik-Streaming hat das Geschäft mit CDs und Platten über die Jahre abgelöst.
Laut dem Global Music Report 2023 hat das Streaming-Geschäft mittlerweile einen Anteil von fast 70 Prozent an den Einnahmen der Musikindustrie. Die Künstler*innen bekommen davon oft allerdings nur einen Bruchteil. Spotify zahlt an sie pro Stream etwa 0,3 Cent, Apple Music einen Cent.
Tickets als neues Statussymbol?
Trotzdem spalten hohe Ticketpreise die Musikszene. Anders als Bruce Springsteen verurteilt Produzent Jack Antonoff zum Beispiel das Geschäft mit den teueren Konzertkarten. Er hat schon mit Musiker*innen wie Taylor Swift oder der britischen Indieband The 1975 zusammengearbeitet und sieht die Schuld für teure Konzertkarten bei den großen Ticketverkäufern. Das hat er bei den diesjährigen Grammys gesagt.
Matty Healy von The 1975 spricht sich auch öffentlich gegen solche Preise aus. Die würden Konzerte zu einer exklusiven Erfahrung machen für Menschen, die sich die Preise eben leisten können. Alle anderen werden ausgeschlossen.