In einer Kommunikations- und Designagentur in Offenbach verdient die Projektleiterin genauso viel wie die Auszubildenden. Dieses System kann ganz neue Werte im Team hervorrufen, es hat aber auch seine Schwachstellen.

Nie wieder Gehaltsverhandlungen! Davon träumen viele, die schon mal mit klopfendem Herzen vor dem Büro des Chefs oder der Chefin gewartet haben, um ein höheres Gehalt auszuhandeln - und damit auch indirekt darüber zu diskutieren, was die eigene Arbeit wert ist. In einigen Unternehmen in Deutschland brauchen sich die Angestellten darüber keine Sorgen mehr zu machen. Zum Beispiel in der Kommunikationsagentur und dem Design-Büro CCP Studios in Offenbach.

Seit mehr als 30 Jahren gibt es hier ein Einheitsgehalt und kaum Hierarchien, berichtet Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Anke van de Weyer. Das Gehalt wird je nach wirtschaftlicher Entwicklung der Firma angepasst und das ganze Team kann bei der Bezahlung mitbestimmen. Dazu kommen weitere Anreize wie die freie Einteilung von Arbeitszeit, unbegrenzt viele Urlaubstage und allgemein flache Hierarchien. Das System scheint reizvoll zu sein, es hat aber auch Schwachstellen.

Alle ziehen an einem Strang

Ein Anreiz für Unternehmen kann beispielsweise sein, dass sich die Angestellten ganz anders mit ihrem Unternehmen identifizieren. Denn schnell stellt sich der Gedanke ein: Wenn alle gleich sind, dann arbeiten auch alle für die gleichen Ziele und ziehen an einem gemeinsamen Strang, sagt Anke van de Weyer.

"Es kann dazu führen, dass sich Menschen ganz anders mit einem Unternehmen identifizieren. So nach dem Motto: Wenn alle gleich sind, arbeiten auch alle für die gleichen Ziele und ziehen an einem Strang."
Anke van de Weyer, Deutschlandfunk-Nova-Reporterin

Das kann sich auch wirtschaftlich auszahlen, denn oft gäben die Beschäftigten dadurch noch etwas mehr für ihre Arbeit als sie es unter normalen Bedingungen tun würden.

Die Motivation kommt von Innen

Weil in diesem System äußere Reize wie ein höheres Gehalt bei mehr Leistung nicht mehr vorhanden sind, gehen viele Arbeitsforschende davon aus, dass die Motivation der Angestellten von Innen herauskommt. Man arbeite also, weil man an die Sache glaube und etwas mit seiner Arbeit bewegen wolle, erzählt Marina, die seit fast acht Jahren bei CCP Studios als Projektleiterin arbeitet.

"Deswegen steht mehr im Fokus, was möchte ich eigentlich mit meiner Arbeit irgendwie erreichen oder wie will ich die Firma insgesamt weiterbringen, anstatt dass meine persönliche Karriereleiter im Vordergrund steht."
Marina, Projektleiterin bei CCP Studios

Sie konnte dadurch auch beobachten, dass sich durch diese Gedanken auch die Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen entspannt habe.

Gleiche Bezahlung, ungleiche Leistung

Doch durch die freie Einteilung der Arbeitszeit ist die Idee eines Einheitsgehaltes auch anfällig für die Selbstausbeutung. Denn oft gebe man dann auf der Arbeit immer mehr als gefordert, weil man eben so überzeugt von dem Projekt sei, erzählt Marina. Gleichzeitig wird das Budget des Projektes dem Arbeitsaufwand aber nicht gerecht.

"Wir stehen uns da manchmal auch im Weg, weil wir halt die coole Idee umsetzen möchten und das Budget eigentlich vielleicht gar nicht ganz so top dafür reicht."
Marina, Projektleiterin bei CCP Studios

Das kann dazu führen, dass Arbeit dann doch unterschiedlich viel wert ist. Denn arbeitet eine Person pro Woche 60 Stunden für 3000 Euro und eine andere Person 40 Stunden für das gleiche Gehalt, dann ist der Stundenlohn trotzdem unterschiedlich, erklärt Anke van de Weyer.

CPP Studios möchte dennoch an dem System festhalten. Klar wurde das dem Geschäftsführer Gernot Pflüger besonders, als das Team eingeführt hatte, dass die Personen, die frisch von der Ausbildung kamen, weniger als der Rest verdient hatten. Schnell fielen dann Sätze wie: "Das soll einer von den Vollbezahlten machen". Ein halbes Jahr später ist die Agentur wieder auf das Einheitsgehalt umgestiegen.

Shownotes
Einheitsgehalt
Wenn alle Angestellten gleich verdienen
vom 03. November 2020
Moderator: 
Christoph Sterz
Gesprächspartnerin: 
Anke van de Weyer, Deutschlandfunk Nova