Im Vergleich zum Bevölkerungsanteil sind Ostdeutsche in Spitzenpositionen sowohl in West- als in Ostdeutschland unterrepräsentiert. Eine Studie zeigt jetzt: Seit der Wende ist die Zahl nur leicht angestiegen - in einigen Bereichen ist sie sogar rückläufig.
In der aktuellen Bundesregierung befinden sich zwei Ostdeutsche – vorher waren es noch drei. Doch nicht nur auf Bundesebene schaffen es weniger Ostdeutsche in Spitzenpositionen, auch in den neuen Bundesländern selbst werden oft Westdeutsche bevorzugt.
Ein Beispiel: Der Anteil Ostdeutscher in den Chefredaktionen der großen ostdeutschen Regionalzeitungen ging von 62 Prozent im Jahr 2016 auf 43 Prozent im Jahr 2022 zurück.
Aufstieg führt meist über Westdeutschland
Das ist das Ergebnis einer Studie von MDR in Zusammenarbeit mit der Universität Leipzig. Sie zeigt: Auch 30 Jahre nach der Wende sind die Unterschiede zwischen Ost und West deutlich spürbar.
Für Kristina Kämpfer, Mitglied des Netzwerks 3te Generation Ost, sind die Ergebnisse der Studie wenig überraschend. Was sie aber erstaunt: Der Weg nach oben führt sowohl für Ostdeutsche als auch Westdeutsche immer noch über den Westen. Wer in den alten Bundesländern studiert, sich ausbilden lässt oder arbeitet, hat später bessere Chancen in Spitzenpositionen zu gelangen.
"Ich glaube eine Quote allein ändert wenig. Wir brauchen einen Kulturwandel – und dafür müssen wir nach den Ursachen für die Bevorzugung des Westens fragen."
Laut der Studie haben nur die Hälfte der Ostdeutschen in Top-Elitepositionen in Ostdeutschland studiert. Die weiteren Karrierestationen liegen sogar nur zu 43 Prozent in Ostdeutschland. Zum Vergleich: Nur zwei Prozent der aus Westdeutschland stammenden Eliten haben in Ostdeutschland studiert.
In der Studie gilt dabei als Ostdeutscher, wer vor 1990 in der DDR geboren oder aufgewachsen ist oder, wenn nicht in der DDR geboren, dort bis 1990 den größeren Teil seines Lebens verbracht hat.
Zugang vor allem über Netzwerke und kulturelles Kapital
Nach der Wende wurden viele Institutionen und das westdeutsche Rechtssystem auf Ostdeutschland übertragen. Deshalb wurden in die Spitzenpositionen viele Westdeutsche eingesetzt. Dieses Verhältnis hat sich bis heute nicht wirklich ausgeglichen.
Kristina Kämpfer meint: Es habe sich über die Zeit sogar eher manifestiert als aufgeweicht. Das Problem sei der Zugang zu Spitzenpositionen.
Ihrer Meinung nach braucht es dafür ein dichtes Netzwerk und kulturelles Kapital - beides werde über die Zeit größer und konzentriere sich bei denjenigen, die es bereits innehaben.
Kristina Kämpfer sagt: Unternehmen würden unterschätzen wie gewinnbringend neue Perspektiven sein können. Dazu zählen Erfahrungen von Migrant*innen genauso wie die Wende-Erfahrungen vieler Ostdeutscher.
"Menschen in Machtposition sind in der Verantwortung. Sie müssen sich fragen: Ist es am Ende des Tages für mein Unternehmen wirklich sinnvoll, immer die gleichen Menschen einzustellen, obwohl unsere Welt immer vielfältiger wird?"
In einem Bereich ist der Trend aber ein anderer: In der Richter*innenschaft der Bundesgerichte stieg der Ost-Anteil von zwei Prozent im Jahr 2016 auf rund 5 Prozent. 2021 erreichte erstmals eine Ostdeutsche die Position einer vorsitzenden Richterin.