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In der Geschichte wurden manche Wissenssysteme mit Gewalt durchgesetzt, andere wurden vernichtet. Die Politikwissenschaftlerin Claudia Brunner berichtet im Vortrag über das Konzept der "epistemischen Gewalt" und nennt Beispiele wie die Hexenverfolgung.

Epistemische Gewalt ist ein Konzept, das beschreibt, wie Gewalt und die Produktion, Verbreitung und Anerkennung von Wissen zusammenhängen. Die Politikwissenschaftlerin Claudia Brunner erklärt in ihrem Vortrag, warum Vernichtungsprozesse von Menschen, zum Beispiel im Kolonialismus, auch Vernichtungsprozesse von Wissen und Lebensweisen waren.

"Wer kann wissen, wer darf sprechen, wessen Wissen wird gehört, welches Wissen wird auch verstanden und welches wird zum Verschwinden gebracht?"
Claudia Brunner, Politikwissenschaftlerin

Dabei bilden die gewaltsamen Vertreibungen und Tötungen keine Ausnahme, sondern sind konstitutiv für unsere Wissenssysteme, sagt Claudia Brunner. Die Rassentheorie beispielsweise habe sich auch entwickelt, um die Versklavung schwarzer Menschen zu rechtfertigen.

"Vernichtungsprozesse von Menschen im großen Maßstab waren notwendigerweise auch Vernichtungsprozesse von Wissensweisen, Lebensweisen, kulturellen Errungenschaften, um etwas anderes, nämlich die europäische Norm, durchzusetzen."
Claudia Brunner, Politikwissenschaftlerin

Die Politikwissenschaftlerin geht im Vortrag auch auf den Begriff "Epistemizid" ein: Dieser wurde geprägt vom portugiesischen Soziologen Boaventura de Sousa Santos.

Vernichtetes Wissen während der Hexenverfolgung

Claudia Brunner beschreibt fünf große Epistemizide, einer davon ist die Hexenverfolgung im Mittelalter. Damals wurde Wissen über Sexualität und Reproduktion, das der katholischen Kirche nicht gefallen hat, vernichtet – außerdem Wissen über Heilung und Krankheit, so die Wissenschaftlerin.

"In 500 Jahren Kolonialismus wurden Wissenssysteme eingeführt und allein gültig gemacht, die die Welt fragmentieren und klassifizieren."
Claudia Brunner, Politikwissenschaftlerin

Claudia Brunner ist Politikwissenschaftlerin am Zentrum für Friedensforschung und Friedensbildung der Uni Klagenfurth und forscht zu epistemischer Gewalt. Sie hat auch ein gleichnamiges Buch darüber geschrieben. Ihren Vortrag "Von epistemischer Gewalt zum Epistemizid" hat sie am 28. September 2023 für den Hörsaal gehalten.

Shownotes
Epistemische Gewalt
Die Vernichtung von Wissen
vom 15. Dezember 2023
Moderation: 
Nina Bust-Bartels
Vortragende: 
Claudia Brunner, Politikwissenschaftlerin, Uni Klagenfurt
Quellen aus der Folge: