Staus, Stress, Alltag mit Hindernissen: Jetzt kontrolliert auch Polen die Grenze zu Deutschland. Warum gerade jetzt? Und wie sehr trifft das Menschen im Alltag? Unternehmer Ron Zithier erzählt, was sich für ihn mit den neuen Grenzchecks verändert hat.
Einmal schnell über den Fluss und zack ist man in einem anderen Land. So funktioniert das in Frankfurt/Oder und Słubice in Polen. Oder besser gesagt: So hat es für viele Menschen bislang funktioniert. Denn seit Polen am 7.07.2025 ebenfalls Grenzkontrollen eingeführt hat, können Reisende, darunter viele Pendler aus den beiden Städte und der Grenzregion, an mobilen Grenzposten in beide Richtungen kontrolliert werden.
Deutschland hatte bereits im Oktober 2023 Grenzkontrollen wiedereingeführt. Bundeskanzler Friedrich Merz begründet sie mit dem "Schutz der europäischen Außengrenzen", der "nicht hinreichend gewährleistet ist". Es geht also darum zu verhindern, dass Geflüchtete über die EU-Außengrenze und Polen nach Deutschland gelangen. Erklärtes Ziel ist es, sie bereits an der Grenze zurückzuweisen, damit sie nicht die Möglichkeit haben, in Deutschland Asyl zu beantragen.
Und nun, anderthalb Jahre später, legt Polen nach. Seit Montag (7.07.2025) wird laut polnischem Innenministerium an der Grenze zu den Schengen-Nachbarn Litauen und Deutschland kontrolliert. Alleine zwischen Deutschland und Polen sind das 52 Grenzübergänge, einer davon ist der zwischen Słubice und Frankfurt/Oder.
Ron Zithier ist Unternehmer in Frankfurt/Oder. Ihn treffen die beiderseitigen Kontrollen persönlich, denn er sagt von sich: "Ich bin Europäer." Die beiderseitigen Kontrollen drohen das Zusammenleben zwischen Polen und Deutschen kaputtzumachen und mit Sicherheit erschwerten sie es.
"Frankfurt/Oder und Słubice sind eine Doppelstadt, getrennt von einem Fluss. Sie sind über die Jahre zusammengewachsen."
Auf Dauer könnten die Grenzkontrollen sich auch wirtschaftlich negativ auf die Region auswirken, fürchtet Ron Zithier. Denn viele Menschen pendeln aus beruflichen Gründen in die eine oder andere Richtung. Ron Zithier erzählt, dass er in seinem Unternehmen 35 Mitarbeiter*innen beschäftigt, zwölf davon pendeln jeden Tag von Polen nach Deutschland. Der erste Arbeitstag mit beiderseitigen Grenzkontrollen machte Ron Zithier daher nervös.
"Ich bin natürlich heute Morgen gleich zu meinen Mitarbeitern und habe gefragt, wie die Anreise war. Zum Glück wurde wohl abgesehen von kurzen Checks durchgewunken."
Ron Zithier ist es wichtig zu betonen, dass die Grenzkontrollen nicht nur nervig oder umständlich sein, sondern ins Leben vieler Menschen eingreifen, weil Frankfurt/Oder und Słubice auch von der Politik darauf ausgelegt waren, "zusammenzuwachsen", wie der Unternehmer es sagt. Er verdeutlicht es am Beispiel der Europa-Universität Viadrina, um die es übrigens auch in dieser Unboxing-Folge geht.
"Auch viele Studenten pendeln. Sie haben ihr Wohnheim in Słubice, haben ihre Seminare aber in beiden Städten. Das heißt, es kommt auch vor, dass sie Studenten mehrmals täglich pendeln."
Deutschland begründet seine Grenzkontrollen mit der illegalen Migration. Und Polen? Laut dem noch amtierenden polnischen Präsidenten Andrzej Duda soll verhindert werden, dass Migranten illegal aus Deutschland nach Polen gebracht werden.
Schiebt Deutschland illegal nach Polen ab?
Tatsächlich behaupten das Vertreter der Politik –darunter eben Präsident Duda, die Partei Recht und Gerechtigkeit PiS sowie der neu gewählte Präsident Karol Nawrocki, bestätigt Lisa Bertram, ARD-Korrespondentin in Polen. Sie erläutert: In der Tat würden Menschen im Rahmen von Abschiebungen oder sogenannten Rückführungen nach Polen gebracht oder weil sie laut dem Dubliner Abkommen in Polen Asyl beantragen müssten. Die Zahlen der Menschen, sagt die Korrespondentin, ist dabei über die Jahre gleich geblieben. Zuletzt sei sie eher ein wenig gesunken.
Premier Donald Tusk und seine Regierung, die die Kontrollen nun veranlasst haben, sind zwar pro-europäisch eingestellt, doch der Druck von Rechts und Rechtsaußen wächst enorm, erklärt Lisa Bertram. Einer Umfrage zufolge bewerten inzwischen fast 75 Prozent die neu eingeführten Grenzkontrollen als positiv. Vor der Einführung hatte sich sogar eine Bürger- oder Grenzwehr gebildet, die meinte, die polnischen Grenzen schützen zu müssen.
"Nationalistische Aktivisten haben Warnwesten angezogen, auf denen Grenzschützer aufgedruckt sind. Sie haben angefangen, willkürlich die Leute zu kontrollieren und aus den Autos zu holen."
Polen: Stärke und Alleingang beweisen wollen
Gleichzeitig scheint der innenpolitische Druck nicht das einzige Motiv zu sein, so Lisa Bertram. Es sei auch eine Retourkutsche. Denn die deutschen Grenzkontrollen seien von Anfang an kritisch gesehen worden – sowohl von pro-europäischen als auch europaskeptischen Parteien.
"Premier Tusk hatte mehrfach mit Kanzler Merz darüber gesprochen, dass ihm das Ungleichgewicht bei den Grenzkontrollen nicht passt. Und jetzt war es eben vorbei mit der Geduld."
Stand jetzt sollen die Kontrollen von polnischer Seite aus 30 Tagen, also bis Anfang August 2025 andauern. Allerdings habe sich Polen bereit erklärt, die Kontrollen frühzeitiger einzustellen, wenn Deutschland mitzieht.
Unternehmer und Doppelstadt-Bewohner Ron Zithier versucht die Auswirkungen der Grenzkontrollen erst mal auf sich zukommen zu lassen. Und er macht der deutsch-polnischen Politik Vorschläge, wie sie ihre Grenzkontrollen durchziehen könnte, ohne die Menschen in der Region in Mitleidenschaft zu ziehen. Seiner Meinung nach könnte zum einen eine Pendlerspur Entlastung bringen. Zum anderen sagt er: Man könnte eine Regelung finden, um statt zwei unterschiedlicher eine gemeinsame Kontrolle durchzuführen.
"In der Serie 'Der Polizeiruf' arbeiten die Kollegen in Frankfurt/Oder und Słubice auch zusammen. In der Realität müsste das doch auch gehen."
Doch eine solche gemeinsame Regelung ist eben gar nicht im Sinne der polnischen Politik, erklärt Lisa Bertram. So habe es Gerüchte über eine deutsch-polnische Zusammenarbeit gegeben, die allerdings sofort dementiert wurde, denn, so die Korrespondentin: "Es ist der polnischen Regierung sehr wichtig, deutlich zu machen, dass man ganz alleine in der Lage ist, das eigene Land zu schützen – und zwar an allen 52 deutsch-polnischen Übergängen."
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