Tattoos spielen in der rechtsextremen Szene eine große Rolle, sagt TM Garret Schmid. Vor rund 20 Jahren ist er aus der Szene ausgestiegen und bietet heute Aussteigenden an, diese Tattoos zu überstechen - gratis.

Rechtsextreme Tattoos sind Erkennungssymbole. Sie signaliesieren: Ich gehöre dazu. Wie sich das anfühlt, weißt TM Garret ganz genau. Er kommt aus der Nähe von Heilbronn und ist als Jugendlicher in die rechtsextreme Szene abgerutscht.

Neo-Nazi Neo-Nazi mit Tattoo "Jedem das Seine" steht am Strand von Maya Bay auf Ko Phi Phi Leh, Thailand, aufgenommen am 23.07.2017.
© picture alliance / Sebastian Kahnert/dpa-Zentralbild/ZB | Sebastian Kahnert

2002 ist TM Garret Schmid ausgestiegen und lebt inzwischen in den USA. Er setzt sich mit verschiedenen Projekten gegen Hass und Rassismus ein und hilft Menschen, die aus der rechtsextremen Szene aussteigen wollen. Dazu gehört auch: Tattoos mit rechtsextremen Symbolen oder Sprüchen wie "Jedem das Seine" loszuwerden. Bei dem Projekt "Erasing the Hate" können Austeigende sich Hass-Tattoos gratis überstechen lassen.

"Rechtsextreme Tattoos sind ein Stigma, das bleibt, und das einen als ehemaliges Mitglied dieser Szene zu erkennen gibt."
TM Garret Schmid

Von außen lässt sich nicht unterscheiden, ob jemand gerade aussteigt oder nicht, wenn derjenige eindeutige Tattoos trägt. "Das führt zu Problemen, auch zu eigenen psychischen Problemen bei den Aussteigern", sagt TM Garret Schmid.

Entradikalisierung ist ein jahrelanger Prozess

Genauso wie die Radikalisierung über mehrere Jahre verläuft, dauere auch die Entradikalisierung jahrelang. Das sei auch ein schmerzlicher Prozess für die Betroffenen, denn sie müssten ihre Vergangenheit aufarbeiten und lernen, sich selbst zu verzeihen. "Kann ich mir die Schuld, die ich auf mich geladen habe, vergeben?", sei eine der schmerzlichsten Fragen, so TM Garret Schmid. Schuld könne sein, zu Gewalt angestiftet zu haben oder auch selbst gewalttätig gewesen zu sein.

"Man wacht morgens auf und sieht diese Tattoos. Sie sind der eigene Zeigefinger."
TM Garret Schmid

Selbst hatte TM Garret Schmid, früher Achim Schmid, bis zu seinem Ausstieg aus der Szene nur wenige rechtsextreme Tattoos: Springerstiefel, Spinnennetz, Schriftzug "Skinhead", keltisches Kreuz. Die meisten Tattoos seien dann nach seinem Ausstieg dazugekommen, indem er die rechtsextremen Tattoos überdecken ließ. Ein Tattoo hat er per Laser entfernen lassen. Das sei aber schmerzhaft und teuer.

"Erasing the Hate"

In seinem Projekt "Erasing the Hate" arbeitet er mit Tätowierern zusammen, die inzwischen den Austeigenden Vorschläge machen, wie diese Tattoos überdeckt werden können. Ihm wäre damals einfach ein Batman über den Skinhead-Schriftzug tätowiert worden, weil er selbst keine Idee hatte, sagt TM Garett Schmid.

Das Spinnennetz hatte TM Garett Schmid noch am Ellbogen, als er 2012 in die USA kam, während die anderen bereits überstochen waren. Dieses Motiv ist nicht nur in der rechtsextremen Szene beliebt, weil es sich auf der Haut "schön bewegt", sagt der Aussteiger. In den USA sei es auch eindeutig ein Gefängnis-Tattoo. "Dort sieht man dann wie ein Schwerverbrecher aus."

Problem: Nicht genug Geld und kein Vertrauen

Es habe lange gedauert, bis er einen Tätowierer in den USA fand, der seinen Schmerz in Bezug auf das Spinnennetz-Tattoo verstand und TM Garret Schmid ein bezahlbares Angebot fürs Überstechen machte. Daraus sei eine Freundschaft entstanden. Er habe damals begriffen, dass er mit diesem Problem - also nicht genug Geld fürs Überstechen und nicht genug Vertrauen in den Tätowierer zu haben - nicht alleine war. Er habe dann seinen befreundeten Tätowierer gefragt, ob er mit ihm ein Projekt mache, gratis für Aussteiger rechtsextreme und rassistische Tattoos zu überdecken.

Das fiel genau in eine Zeit, in der - von 2016 an - Rechtsextremismus in den USA "hoffähig" wurde, erzählt TM Garret Schmid. Inzwischen arbeiten sie mit 20 bis 30 Shops lose zusammen, in denen sich Aussteigende die Tattoos gratis überstechen lassen können. Darunter seien Hakenkreuze, aber auch Ku-Klux-Klan- bis hin zu Südstaaten-Zeichen.

Sich selbst die Scham und anderen die Angst nehmen

TM Garret Schmid berichtet von einem Kunden, der jahrelang die Konföderierten-Flagge auf dem Unterarm getragen hatte und sie nicht als grundlegend rassistisch ansah. Aber weil Teile der Gesellschaft diese Flagge als Hass-Symbol auffassen, wollte er das Tattoo überstechen lassen, damit diese Menschen sich nicht schlecht fühlen müssten, wenn sie mit ihm zusammenkommen.

Für die Aussteigenden könne es ein befreiendes Gefühl sein, diese Tattoos los zu sein. Beispielsweise, um im Schwimmbad einfach unbeschwert das T-Shirt ausziehen zu können, ohne dass man sich für seine Vergangenheit schämen müsse.

"Ohne diese Tattoos kann wirklich ein neues Leben beginnen."
TM Garret Schmid

TM Garret Schmid erinnert sich noch sehr genau an einen besonderen Moment im Schwimmbad: Er war schon ausgestiegen, hatte aber noch den Skinhead-Schriftzug in seiner Haut. Er ging mit seinen Kindern zur Rutsche, als eine Frau mit türkischen Wurzeln sein Tattoo sah. "Ich werde nie diese Angst in ihren Augen vergessen, als sie mich und das Tattoo gesehen hat."

Was heißt eigentlich TM?

2018 hat sich Achim Schmid offiziell umbenannt in TM Garret Schmid. TM ist eine Abkürzung seines Radiomoderatorennamen "The Mississippian". Diese Abkürzung entwickelte sich immer mehr zu seinem Vornamen TM - Achim ist für US-amerikanische Verhältnisse eher schwierig auszusprechen. Für deutsche Verhältnisse ist die Abkürzung als Vorname eher ungewöhnlich, deshalb kombiniert er sie mit seinem anderen Künstlernamen Garret, plus dem deutschen Nachnamen.

Shownotes
Ex-Neonazi TM Garret Schmid
"Ohne rechtsextreme Tattoos kann wirklich ein neues Leben beginnen"
vom 14. Februar 2021
Moderatorin: 
Jenni Gärtner
Gesprächspartner: 
TM Garret Schmid, Ex-Neonazi, aktiv im Projekt "Erasing the Hate"