Sieben Politiker, vier Talkshows, 700 dokumentierte Aussagen. Das Projekt "Faktenzoom“ der Kölner Journalistenschule hat sich gefragt: Halten sich Politiker in Talkshows an die Fakten? Ihr Ergebnis: Bei manch einem Parteivertreter war fast ein Viertel der Aussagen falsch.
Vier Monate lang haben sich die Nachwuchsjournalisten vier große Talkshows angesehen: "Menschen bei Maischberger", "Anne Will", "Maybrit Illner" und "Hart aber Fair". Die Politiker, die am häufigsten in den Talkshows auftraten, wurden ausgewählt. Das Ziel der Nachwuchsjournalisten: Die Aussagen der Politiker auf ihren Wahrheitsgehalt checken.
"Wir wollten aufzeigen, dass die Menschen, die da abends in den Talkshows sitzen und teilweise vor Millionen von Zuschauern diskutieren, mit ihren Aussagen nicht immer ganz bei der Wahrheit liegen."
Fast jede siebte Aussage ist falsch
Aus den Sendungen haben sie dann insgesamt 700 Aussagen zusammengetragen. Knapp 150 Aussagen waren Allgemeinwissen und tauchten darum nicht in der Analyse auf. Viele Aussagen ließen sich außerdem nicht prüfen, weil sie zu ungenau waren oder es keine Belege gab. Am Ende konnten Sebastian und seine Kommilitonen aber rund 350 Aussagen mithilfe von Studien, Ministeriumsanfragen oder Expertenberichten überprüfen. Ihr Ergebnis: Fast jede siebte Aussage entsprach nicht den Fakten.
"Frau Petry ist diejenige Politikerin, die am meisten die Unwahrheit sagt. Ob das jetzt bewusste Lügen waren, weiß ich nicht."
Sebastian und seinem Team ist wichtig, dass in den Ergebnissen nicht von "Lügen" gesprochen wird. Das würde nämlich eine bewusste Absicht unterstellen. Stattdessen sprechen sie von Politikern, die die Unwahrheit sagen.
AfD-Chefin Frauke Petry schnitt bei dem Projekt am schlechtesten ab. Bei ihr hatte mehr als jede vierte Aussage (26,3 %) nur wenig mit der Wahrheit zu tun. 15 Prozent ihrer Aussagen waren sogar komplett falsch.
Ein Beispiel:
Am 13. März 2016 behauptete Frauke Petry bei "Maybrit Illner“: "Aus der Türkei können immer noch Asylanträge in Deutschland gestellt werden." "Faktenzoom" überprüfte die Behauptung und stellt fest: Die Aussage ist falsch. In der Begründung heißt es dann: "Laut der Internetseite der deutschen Außenvertretungen in der Türkei kann Asyl nur von Personen beantragt werden, die sich in Deutschland aufhalten. Es sei nicht möglich, einen Asylantrag bei einer deutschen Vertretung im Ausland zu stellen."
Die Kölner Journalistenschüler gaben den Politikern aber auch die Möglichkeit, zu den falschen oder nicht überprüfbaren Aussagen Stellung zu nehmen. Allerdings sei das in vielen Fällen nicht passiert, sagt Sebastian.
Nach Frauke Petry liegt Markus Söder (CSU) mit 21,9 Prozent auf Platz zwei der Negativrangliste. Am besten schnitt bei der Untersuchung Armin Laschet (CDU) ab: Bei ihm sollen nur rund 6,5 Prozent seiner Aussagen nicht richtig gewesen sein.
Viel Resonanz - aber auch viel Kritik
Nur wenige Stunden nach Veröffentlichung der Projektergebnisse sprangen viele Medien auf das Thema auf. Es gab viel positive Resonanz, aber auch viel Kritik, erzählt Sebastian: "Der größte Kritikpunkt ist, glaube ich, dass uns da so ein wissenschaftliches Arbeiten unterstellt wird", sagt er. Viele Medien sprächen von einer Studie. Dies sei aber gar nicht der Fall.
"Das ist ein journalistisches Projekt. Wir sind keine Wissenschaftler."
Auf ihrer Homepage gehen Sebastian und seine Kommilitonen auch auf Kritikpunkte ein und beantworten Kommentare. Sie waren extrem überrascht über die große Resonanz. "Auf einmal ploppte auf meinem Handy eine Eilmeldung von der "Welt" auf, wo es genau um unser Projekt ging und ich dachte: Krass, damit haben wir auf keinen Fall gerechnet."