Wir sind geschockt über die toten Flüchtlinge, die gestern in einem Lkw in Österreich entdeckt wurden. Und darum haben wir mit dem Zeit-Journalisten Wolfgang Bauer gesprochen und uns das Geschäft mit den Flüchtlingen erklären lassen.
Wolfgang Bauer kennt sich aus - mit Schleppern und dem Schicksal der Flüchtlinge, die sich in ihre Hände begeben. Für sein Buch "Über das Meer" hat er von Ägypten aus versucht, es mit Flüchtlingen auf die Boote nach Europa zu schaffen. In dem nordafrikanischen Land ist das Geschäft mit den Flüchtlingen ausgeprägt, wie die Tourismusindustrie, erzählt Wolfgang Bauer von der Zeit. In jedem Viertel gibt es Verkäufer - ganz normale Geschäftsleute, die nebenher noch Tickets für die Passage nach Europa verkaufen. Ihr Ziel: ein bisschen Geld machen - und oft helfen sie auch Familienmitgliedern, die selbst auf die Boote wollen. Im Hintergrund agieren aber vier oder fünf Schmugglerkönige, denen Dutzende von Schiffen gehören. Und Wolfgang Bauer hat auch gehört, dass oft die ägyptische Küstenwache dahintersteckt - beweisen kann er das aber nicht.
Früher Drogen - heute Flüchtlinge
Auf dem Balkan haben offenbar Mafiosi umgesattelt. Früher haben sie Drogen geschmuggelt, heute Menschen. Es gibt bei den Schleppern also eine große Bandbreite – von organisierter Kriminalität, die jede Nachfrage bedienen will, die legal nicht gestillt werden kann, bis zu kleinen Fischen, die spontan Geld machen wollen.
Wolfgang Bauer hat auch Menschen getroffen, die sagen: Wir wollen verhindern, dass Bürgerkriegsflüchtlinge in die Hände von kommerziellen Schleppern geraten, damit es nicht zu so tragischen Vorfällen wie gestern in Österreich kommt. Ihre Konsequenz: Sie brechen aus humanitären Gründen das Gesetz und bringen Menschen über die Grenzen - leisten also Fluchthilfe. Zunehmend bilden sich auch Organisationen heraus, die Kontaktbörsen ins Netz stellen, auf denen sich Freiwillige melden können, die in ihren Wagen zwei oder drei Flüchtlinge über die Grenze bringen wollen. Mir rechtlichen Konsequenzen müssten die Helfer in den "allermeisten Fällen" nicht rechnen, sagt Wolfgang Bauer.
"Wir brauchen diese Diskussion in unserer Gesellschaft: Was ist kriminell - und was ist hochanständig."
Warum es so schwierig ist, Schlepperbanden das Handwerk zu legen, die mit der Ware Mensch spielen? Weil die Verzweiflung der Flüchtenden so gigantisch groß ist, erklärt Wolfgang Bauer. Und noch etwas für ihn klar: Auch wenn teilweise ganz abscheuliche Menschen als Schlepper Geld verdienen - je mehr sie unter Druck gesetzt werden, desto gefährlicher werde es für die Flüchtlinge. Weil sie sich dann Schlepper suchen müssten, die vielleicht noch skrupelloser seien - und darum noch mehr Flüchtlinge mit ihrem Leben bezahlen müssten.
Die Polizei ist keine Lösung
Für Wolfgang Bauer steht fest: Mit der Polizei lässt sich das Problem nicht lösen. Sein Ansatz: Humanitäre Korridore und Visa, damit Flüchtlinge aus den Bürgerkriegsländern gar nicht erst gezwungen sind, in die Boote zu steigen oder sich auf die Balkanroute zu begeben.