Forschende haben in einem Chip das Mikrobiom einer Vagina und lebenden Zellen zusammengesetzt. Damit sollen Körperfunktionen für die Forschung simuliert werden, um so dabei zu helfen, Medikamente zu entwickeln.

Als Mikrobiom werden alle Mikroorganismen bezeichnet, die in einem größeren Bereich angesiedelt sind. So ist in den vergangenen Jahren etwa das Mikrobiom des Darms zunehmend in den Blick der Forschung geraten. Doch auch in anderen Regionen unseres Körpers spielen Mikrobiome eine große Rolle, etwa in der Vagina. Ein großes Problem für die Forschung ist aber: Das Mikrobiom einer menschlichen Vagina hat kaum Ähnlichkeit mit dem aus Tierversuchen.

Vagina-Chip soll Forschung voranbringen

Deshalb haben Forschende der Universität Harvard den Vagina Chip entwickelt. Auf einem etwa 2,5 cm langen durchsichtigen Plastikstreifen haben sie lebendes Gewebe aus der Vagina einer Spenderin aufgetragen und mit einer Östrogen-besetzten Substanz versetzt, die den Vaginalschleim simulieren soll. So können die Forschenden Interaktionen des Mikrobioms untersuchen – und auf dieser Grundlage Medikamente für weit verbreitete Krankheiten entwickeln.

"Wenn das vaginale Mikrobiom gestört ist, kann es leicht zu einer bakteriellen Vaginose kommen. Es ist die häufigste vaginale Erkrankung für Frauen im Alter von 15 bis 44."
Martina Schulte, Deutschlandfunk-Nova-Netzreporterin

Bakterielle Vaginose ist beispielsweise die am häufigsten auftretende vaginale Erkrankung. Dabei handelt es sich nicht um eine Infektion, sondern um ein Ungleichgewicht im Mikrobiom. Sie macht sich beispielsweise durch Rötungen und Juckreiz bemerkbar. Doch sie kann auch zu Risiken führen. So verdoppelt eine bakterielle Vaginose das Risiko einer Geschlechtskrankheit und kann sogar eine Frühgeburt auslösen.

Behandelt werden bakterielle Vaginosen meist mit Antibiotika. Doch das hat oft Nebenwirkungen und führt zu Entzündungen. Auf dem Vagina-Chip lässt sich testen, wie typische Antibiotika-Behandlungen gegen bakterielle Vaginose die verschiedenen Bakterienstämme beeinflussen. So kann eine probiotische Behandlung entwickelt werden.

"Andere Forscher*innen aus dem Feld kritisieren, dass der Chip Organe isoliert betrachtet und nicht in Verbindung mit dem restlichen Körper und im Wechselspiel mit anderen Organen."
Martina Schulte, Deutschlandfunk-Nova-Netzreporterin

Es gibt aber auch Kritik an dem Vagina-Chip. Denn im Chip wird das Mikrobiom der Vagina isoliert betrachtet und nicht im Zusammenhang mit dem restlichen Körper. Die Entwickler der Chips glauben hingegen, dass man für komplexere Prozesse wie Schwangerschaften den Vagina-Chip mit weiteren Organ-Chips verbinden kann, berichtet Martina Schulte.

Das Techblog Mashable berichtet, das es bereits Chips für einige anderer Organe, wie etwa für Lunge und Darm gibt. Allerdings würde die Organ-Chip-Technologie bisher laut den beteiligten Forscher*innen zu wenig finanzielle Förderung erhalten. Das könnte sich durch den Vagina-Chip nun ändern.

Shownotes
Medizin
Vagina-Mikrobiom auf einem Chip
vom 20. Dezember 2022
Moderator: 
Christoph Sterz
Gesprächspartnerin: 
Martina Schulte, Deutschlandfunk-Nova-Netzreporterin