Die Emanzipation ist hörbar – das lässt zumindest eine Studie von Forschern aus Leipzig vermuten. Sie haben herausgefunden, dass Frauenstimmen in Deutschland in den vergangenen 20 Jahren deutlich tiefer geworden sind. Hat das Einfluss auf das Rollenbild der Frau?

In den 50ern war das Rollenbild der Frau klar: Sie sollte sich fügen. So erklärt sich die Sprechtrainerin Birgitta Schaub das Phänomen, das Leipziger Forscher bei einer Studie entdeckt haben. Die weibliche Stimme ist in Deutschland im Durchschnitt nicht mehr eine ganze Oktave höher als die männliche Stimme, sondern nur noch eine Quinte – eine Entwicklung, die im Laufe der vergangenen 20 Jahre passiert ist. 

Frauenstimmen werden tiefer

Auch Michael Fuchs, Leiter der Abteilung Phoniatrie und Pädaudiologie an der Uni-Klinik Leipzig, glaubt, dass die Stimme der Frauen aus psychologischen und sozio-kulturellen Gründen tiefer geworden ist. Frau und Mann sind heute gleichberechtigter als noch in den 50er Jahren. Die weibliche Stimme spiegelt diese Veränderung. 

Mehr Durchsetzungskraft

Wollen junge Frauen sich also durchsetzen und bekommen deshalb eine tiefere Stimme? Michael Fuchs vermutet dies, denn die tiefere Stimme bildet sich zwischen 25 und 35 heraus. "Es ist genau der Lebensabschnitt, in dem man sich etablieren muss." Frauen nutzen laut der Leipziger Studie ihre stimmliche Durchsetzungskraft. 

"Frauen scheinen sich im Rollenbild so verändert zu haben, dass sie die Stimmen tiefer einsetzen, um damit beispielsweise Kompetenz zu demonstrieren."

Andere Gründe für die tieferen Frauenstimmen konnten die Forscher ausschließen. Eine Vergrößerung des Kehlkopfes durch hormonelle Veränderungen wäre denkbar gewesen. Oder eine Veränderung der Stimmbänder. Das können sie durch ihre Untersuchungen alles verneinen.

Der Sprechtrainerin Birgitta Schaub fällt aber auch auf, dass Frauen versuchen, ihre Stimme künstlich tiefer klingen zu lassen. Das bringt nichts und schadet auf Dauer, sagt die Sprechtrainerin – im entspannten Zustand klingt die Stimme souverän und hat eine natürliche und angenehme Tiefe. 

"Die Stimme reagiert auf Psyche und auf Emotionen."
Birgitta Schaub, Sprechtrainerin

Wie tief sie ist, also wo das Normallevel der weiblichen Stimme liegt, unterscheidet sich sogar von Land zu Land. Das haben Wissenschaftler an der TU Berlin 2013 herausgefunden. Demnach sprechen zum Beispiel Norwegerinnen tiefer als Britinnen oder Italienerinnen. Und auch sie sagen: Wahrscheinlich liegt das daran, dass skandinavische Frauen emanzipierter sind.

Shownotes
Frauenstimmen
Emanzipation ist hörbar
vom 03. Oktober 2017
Moderation: 
Steffi Orbach
Autor: 
Kevin Frisch, Deutschlandfunk Nova