Bauer sucht Frau, Topmodels, Dschungelcamp - es gibt so TV-Formate, da schlägt man irgendwann unweigerlich die Hand vor die Augen und denkt: "Meine Güte, ist DAS peinlich!". Trotzdem machen wir den Fernseher nicht aus. Im Gegenteil. Denn irgendwie ist Fremdscham auch geil.

Wenn wir uns fremdschämen, fühlen wir mit - im wahrsten Sinne des Wortes. Wir versetzen uns in die Lage der anderen Person und lösen damit in unserem Körper ganz ähnliche Vorgänge aus. Eine Folge davon - wir schämen uns. In der Gewissheit, dass wir uns nicht in aller Öffentlichkeit blamieren, sondern zu Hause vor dem Fernseher sitzen.

"Wir merken die Normverletzung am eigenen Körper. Wir spüren so eine Erregung, wir spüren so ein unangenehmes Gefühl, was man aus der Beobachterperspektive hat."
Frieder Paulus, Neurowissenschaftler an der Uni Lübeck

Einen bestimmten Sinn hat diese Emotion nicht zwingend, sagt Neurowissenschaftler Frieder Paulus. Es gibt einfach Menschen, die können das gar nicht abstellen. Die versetzen sich automatisch in die Situation anderer Menschen und empfinden dann Scham, wenn sie eine Normverletzung erleben. Wann wir denken, dass eine Norm verletzt wird, ist das sehr individuell. Empathiefähigkeit spielt dabei ebenfalls eine große Rolle.

"Fremdschämen ist eine sehr, sehr individuelle Emotion."
Neurowissenschaftler Frieder Paulus

Aber wir können auch etwas über uns lernen. Das gefahrlose Spiel mit Normen als Beobachter einer Situation, sagt uns zum Beispiel, wo wir selber eigentlich Grenzen setzen. Und dann können wir über das Fremdschamgefühl auch ein bisschen was über uns selbst lernen.

Shownotes
Fremdscham-TV
Die Lust an Peinlichkeit
vom 12. Januar 2016
Moderation: 
Marlis Schaum
Gesprächspartner: 
Frieder Paulus, Neurowissenschaftler an der Universität zu Lübeck