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Weniger Geld, schlechtere Trainingsbedingungen und kaum Aufmerksamkeit: Zwar sind die Spiele von Fußballerinnen schon lange keine Nischenveranstaltungen mehr – trotzdem gibt es große Unterschiede zu den Männern. Wo steht der Fußball der Frauen und was muss sich ändern?

"Wir hatten ein super Training, haben super Bedingungen. Wir freuen uns riesig, hier zu sein", sagt eine der Spielerinnen euphorisch bei ihrer Ankunft in der Schweiz zur Fußball-Europameisterschaft der Frauen (2.07. bis 27.07.2025). Doch diese Bedingungen, von denen die Kapitänin Giulia Gwinn schwärmt, gelten lediglich für einige wenige Topspielerinnen in Deutschland.

Die allermeisten Profis können vom Fußball alleine nicht leben, sagt Kathrin Längert. Die ehemalige Nationaltorhüterin hat in der deutschen Bundesliga und in Schweden gespielt, war später Trainerin in Essen und Torwarttrainerin der Nationalmannschaft Saudi-Arabiens. Inzwischen engagiert sie sich für mehr Gerechtigkeit im Sport.

Neben dem Profisport ganz normal arbeiten gehen

Die Bedingungen in vielen Vereinen sind meilenweit vom Männerfußball entfernt, sagt Kathrin Längert und gibt ein Beispiel: "Training am Morgen, danach zur Arbeit oder in die Uni und abends wieder zum Training. Ohne Massage, ohne Entmüdungsbecken, ohne irgendwas. Und am nächsten Tag geht es wieder von vorne los." Der Grund für die immer noch gegenwärtige Benachteiligung von Frauen im Fußball liegt für sie ganz klar auf der Hand: Sexismus.

"Fußball ist extrem männlich aufgeladen. Es ist die Sportart, mit der Jungen lernen, was Männlichkeit bedeutet. Frauen sind darin unerwünscht."
Kathrin Längert, ehemalige Nationaltorhüterin

Höhere Prämien bei der EM. Reicht das?

Die UEFA hingegen rühmt sich, dass die Prämien bei der EM 2025 so hoch seien wie nie zuvor. Auch der DFB schüttet mehr Geld an seine Nationalspielerinnen aus. Längert sieht darin zwar ein wichtiges Symbol – aber kein echtes Umdenken. Zudem sei mit dem Geld nicht denen geholfen, die Unterstützung brauchen, also den Spielerinnen am anderen Ende der ersten und denen in der zweiten Liga.

Ein häufiges Argument gegen höhere Investitionen in den Sport von Frauen ist die angeblich fehlende Rentabilität. Längert hält das für kurzsichtig. "Die Nationalverbände sind keine Wirtschaftsunternehmen. Wenn wir sagen, Sport ist wichtig für die Gesellschaft, dann muss auch sichtbar sein, dass Frauen dazugehören", sagt sie.

"Wir zeigen jedem Kind: Alles außer Männerfußball ist wertlos. Schwimmen, Judo, Leichtathletik? Nebensache. Aber dann erwarten wir Medaillen bei Olympia. Das passt nicht zusammen."
Kathrin Längert, ehemalige Nationaltorhüterin

Strukturelle Veränderung ist nur möglich, wenn Frauen Präsenz und Mitbestimmungsrecht zeigen, davon ist Längert überzeugt. Sie wünscht sich eine stärkere Spielerinnengewerkschaft, um mitgestalten zu dürfen. Bis jetzt werde alles von oben bestimmt. "Außerdem", so Längert, "müssen viel mehr Ehemalige in Verbänden und Gremien Platz finden." Sie nennt das Präsidium des DFB als Beispiel, in dem Jahrzehnte lang maximal eine Frau vertreten war. Doch es gehe nicht nur darum, das Geschlecht mit einzubeziehen; auch Herkunft und Behinderung müssten in der Verbandsstruktur eine Rolle spielen.

Martina Knief beobachtet den Frauenfußball schon lange – von Anfang an, um genau zu sein. "Ich bin Frauenfußball-Reporterin der ersten Stunde. Ich bin tatsächlich seit dem ersten Frauen-Bundesligaspiel im Herbst 1990 auf den damals noch krummen und schiefen Sportplätzen dabei."

Auch Knief beschreibt die Entwicklung des Frauenfußballs in Deutschland als einen langen, oft beschwerlicher Weg – bis heute. Knief spricht von einer "total schwierigen" Situation. Viele Vereine hätten schlicht nicht die Mittel, um professionelle Strukturen zu schaffen. Das helfe es auch nicht, dass der DFB versuche, über strengere Auflagen Verbesserungen zu erzwingen. Doch: "Dafür muss mehr Geld in den Umlauf. Und da hinkt Deutschland hinterher – etwa im Vergleich zu England oder den USA."

"Der Frauenfußball hat viele Schritte nach vorn gemacht. Sichtbarkeit ist dabei zentral: Können Fans die Spiele sehen? Können sie mit Spielerinnen in Kontakt treten? Genau das hat sich verbessert."
Martina Knief, Fußball-Reporterin

Die Probleme des Frauenfußballs sind nicht nur finanzieller Natur, erklärt Knief. In der Gesellschaft fehle oft Anerkennung und Frauen- und Mädchenmannschaften dürften nicht als Belastung wahrgenommen werden. "Viele Vereine sagen: Nicht noch eine Mädchenmannschaft. Wir haben jetzt schon zu wenig Trainingsplätze." Dabei ist der Wunsch, so Knief Beobachtung, Fußball zu spielen, längst auch bei Mädchen selbstverständlich geworden. Der Weg nach oben bleibt für sie aber deutlich steiniger als für Jungs.

Der Glaube an Veränderungen

Gerade deswegen ist es Knief wichtig, ein Positivbeispiel zu nennen, das von Giulia Gwinn. Als das Mädchen anfing Fußball zu spielen, sei ihre Mutter nicht begeistert gewesen. Doch als sie das Strahlen ihrer Tochter nach dem Training gesehen habe, änderte sie ihre Meinung. Und heute, im Sommer 2025, führt Gwinn bei der EM die deutsche Nationalmannschaft als Kapitänin auf den Platz.

"Giulia Gwinn füllt diese Vorbildrolle perfekt aus. Jetzt muss der Weg für die nächste Generation leichter werden."
Martina Knief, Fußball-Reporterin

Doch was glaubt Knief, wann werden Profi-Spielerinnen wirklich vom Fußball leben können – ohne Nebenjob und finanzielle Unsicherheit? Knief gibt sich hoffnungsvoll: "Ich bin da ein bisschen naiv veranlagt und hoffe, dass es schnell geht. Ich werfe mal fünf Jahre als Ziel in den Raum." Ob das realistisch ist, bleibt offen. Sicher ist aber: Es braucht mehr als ein großes Turnier, um diesen Wandel voranzubringen.

Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an Info@deutschlandfunknova.de

Shownotes
Fußball
Fußball-EM der Frauen: Volle Stadien, halber Lohn?
vom 02. Juli 2025
Moderation: 
Ilka Knigge
Gesprächspartnerin: 
Kathrin Längert, Ex-Nationalspielerin und Autorin
Gesprächspartnerin: 
Martina Knief, Sportreporterin für die ARD