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Israel will Gaza-Stadt erobern. Ägypten liegt nebenan – vermittelt, blockt Geflüchtete ab und macht Milliarden-Deals mit Israel. Welche Pläne verfolgt Präsident Al-Sisi im Gaza-Krieg wirklich?

Israel und Ägypten haben als einzige Länder einen Grenzübergang zum Gazastreifen. Allein dadurch kommt dem Land Ägypten eine besondere Position zu. "Der Grenzübergang zu Rafah im Gazastreifen ist kein gewöhnlicher Grenzübergang", sagt Nina Amin, ARD-Korrespondentin für die Region. Seit Kriegsbeginn stauen sich hier Lkws, die Hilfsgüter für die Palästinenser*innen geladen haben, aber nicht einfach so über die Grenze fahren können.

Ägyptens Grenze unter israelischer Kontrolle

Darüber hinaus ist dieser Grenzübergang für viele der einzige Weg, um den Gazastreifen und damit das Kriegsgebiet zu verlassen. Rund 100.000 Menschen sind es seit Kriegsbeginn gewesen, sagt die Korrespondentin.

Mohammad Abu Saif ist einer derjenigen, die geflüchtet sind. Der Journalist hat die ARD immer wieder mit Informationen aus dem Gazastreifen beliefert. Deutschlandfunk Nova spricht regelmäßig mit ihm über die Lage im Gazastreifen.

Den Gazastreifen über die Grenze nach Ägypten zu verlassen sei sehr schwierig, für viele geradezu unmöglich, erzählt Mohammad. "Inzwischen bekommen nur noch diejenigen, die eine medizinische Behandlung brauchen, die Möglichkeit, Gaza zu verlassen." Sein Antrag wurde zwei Mal abgelehnt, dann im Sommer 2024 hat es endlich geklappt. Inzwischen lebt Mohammad in Deutschland.

"Es war vielleicht der schlimmste Tag, als ich Gaza verlassen habe. Ich ließ sich den Krieg zurück, aber auch alles andere. Ich war auf der Suche nach einem neuen Leben."
Mohammad Abu Saif, aus Gaza geflohener Journalist

Jede*r, der die den Gazastreifen Richtung Ägypten verlassen will, braucht eine Genehmigung – jedoch nicht von dem Einreiseland Ägypten, sondern in erster Linie von Israel. Das ist seit Beginn des Krieges so, erklärt Mohammad. "Früher wurde der Grenzübergang auf palästinensischer Seite von den Palästinensern kontrolliert und auf ägyptischer Seite von den Ägyptern. Doch jetzt wird die palästinensische Seite vom israelischen Militär kontrolliert."

Genauso sei es mit den Hilfsgütern, die auf ägyptischer Seite am Grenzübergang in den Gazastreifen stehen, ergänzt Korrespondentin Nina Amin. Auch hier müsse laut ägyptischem Präsident Assis Israel das Go geben, um die Lkws durchzulassen.

Ägyptens Rolle als Vermittler zwischen Hamas und Israel

Um zu verstehen, warum Israel einen dermaßen großen Einfluss auf Ägyptens Grenze habe, helfe es sich, das Verhältnis der beiden Länder anzuschauen, sagt Nina Amin. In der Region war es Ägypten, das Israel als erstes arabisches Land offiziell anerkannt und Frieden mit Israel geschlossen hat. Seitdem hat es eine wichtige Vermittlerrolle, so auch während dieses Kriegs. Ägyptens Präsident Abd al-Fattah Al-Sissi betont, dass sein Ziel eine Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas sei. Auf der anderen Seite jedoch habe sich der Ton gegenüber Israel verschärft. Der ägyptische Präsident habe zuletzt von einem Völkermord gesprochen, den Israel dort im Gazastreifen verübe, fasst Nina Amin zusammen.

"Die Grenze zwischen dem Gazastreifen und Ägypten war nie eine normale Grenze, über die Menschen rein- und rausgehen konnten."
Nina Amin, ARD-Korrespondentin im Studio Kairo

Zu beachten sei auch, so Nina Amin, dass der Nordsinai, wo der Grenzübergang liegt, ein von der Armee sehr stark kontrolliertes Gebiet sei. "Dort hielten sich IS-Kämpfer auf, und Ägypten hatte immer Sorge, dass über die Tunnel, die ist es dort zwischen dem Gazastreifen und Ägypten gab, Waffen aus dem Gazastreifen von der Hamas an die IS-Kämpfer geliefert werden." Inzwischen seien diese Tunnel laut israelischer Regierung geschlossen, erklärt Nina Amin. Es zeige aber, dass dieser Grenzübergang niemals vergleichbar war mit denen zwischen anderen Ländern.

Warum Ägypten kein Interesse hat, Menschen aus dem Gazastreifen aufzunehmen

Doch Israels Kontrollanspruch ist bei weitem nicht der einzige Grund, warum die Menschen kaum die Möglichkeit haben, den Gazastreifen zu verlassen. Ägypten selbst hat weder Interesse noch die Möglichkeiten, die Menschen aufzunehmen. "Ägypten steht wirtschaftlich schlecht da. Das Land wäre überhaupt nicht in der Lage, Palästinenser und Palästinensern aufzunehmen", sagt die Journalistin. Zudem sei es Ägyptens politische Überzeugung, dass eine politische Lösung gefunden werde und dass der Gazastreifen auf keinen Fall entvölkert werde.

"Am Ende wird es um Deals zwischen den großen Staaten gehen."
Mohammad Abu Saif, aus Gaza geflohener Journalist

Doch trotz der wichtigen Vermittlerrolle, die Ägypten zweifelsohne habe, ist Nina Amin überzeugt: "Es kommt natürlich noch auf ganz andere Player an, wie Katar. Das ist ein sehr reiches Land mit direktem Draht zur Hamas. Auch das Politbüro der Hamas liegt in Doha, der Hauptstadt Katars." Und natürlich brauche es auch andere Verhandler mit am Tisch, allen voran die USA. Das sieht Mohammad genauso. Doch bis dahin, befürchtet er, werden die Menschen im Gazastreifen weiter leiden, hungern, sterben.

Ägypten ist auch aus wirtschaftlichen Gründen an einer guten Beziehung zu Israel interessiert. Stichwort: Gas-Deal. Mehr dazu hört ihr in der Podcastfolge.

Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an unboxingnews@deutschlandradio.de

Shownotes
Nahost
Krieg in Gaza: Könnte Ägypten mehr tun?
vom 11. August 2025
Moderation: 
Rahel Klein
Gesprächspartner: 
Mohammad Abu Saif, aus Gaza geflohener Journalist
Gesprächspartnerin: 
Nina Amin, ARD-Korrespondentin im Studio Kairo