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Militärdienst ist in Israel Pflicht. Verweigerung? Gibt’s selten – bis jetzt. Immer mehr Israelis wollen nicht in den Krieg in Gaza. Einer von ihnen ist Itamar Greenberg. Dafür saß der 19-Jährige schon mehrmals im Knast.

Er soll eine neue Offensive im Gazastreifen geben. Das hat Israels Premierminister Benjamin Netanjahu am Dienstag (13.5.2025) angekündigt: "In den kommenden Tagen werden wir mit voller Kraft vorgehen, um den Einsatz in Gaza abzuschließen."

Um den Krieg fortzuführen, braucht die israelische Armee Soldatinnen und Soldaten. 300.000 Reservisten wurden seit Kriegsbeginn im Oktober 2023 eingezogen. Um die neue Offensive im Gazastreifen zu starten, sollen weitere hinzukommen. Zehntausende Einberufungsbefehle wurden bereits verschickt, berichtet Bettina Meier aus dem ARD-Studio Tel Aviv.

Haftstrafen für Militärdienstverweigerer sind keine Seltenheit

Itamar Greenberg ist Israeli und laut Gesetz verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Doch er verweigert, Soldat zu werden. Deswegen saß der 19-Jährige bereits 197 Tage im Gefängnis. Dazu, erzählt er Deutschlandfunk-Nova-Reporter Justus Wolters im Interview, habe Isolationshaft und stundenlanges Stehen gehört.

Itamar sagt, dass es für ihn schon immer undenkbar gewesen war, in der Armee zu dienen. "Doch später, als ich wirklich verstanden habe, was die israelische Armee da macht, wurde mir klar, dass das nicht nur meine persönliche Entscheidung ist, sondern ein politischer Kampf." Seitdem engagiert er sich regelmäßig für Menschenrechte und demonstriert gegen die Angriffe auf die palästinensische Bevölkerung. Auch dafür nimmt er in Kauf, verhaftet zu werden.

"Ich will kein Teil einer Armee sein, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit verübt."
Itamar Greenberg, Militärdienstverweigerer und Aktivist

Itamar spricht öffentlich über seine Überzeugung und kritisiert das israelische Militär scharf. Dafür erhält er sogar Morddrohungen. Itamar ist nicht nur Verweigerer, sondern politischer Aktivist, sagt Justus Wolters. Damit ist er sicherlich nicht mit anderen Verweigerern vergleichbar.

Korrespondentin: Gesellschaft ist gespalten

Doch die Zahl derjenigen, die den Pflicht- oder Kriegsdienst verweigern, soll wachsen. Zwar veröffentlicht das israelische Militär dazu keine offiziellen Zahlen, sagt Justus Wolters. Doch laut Aktivist*innen hätten im Jahr 2023 rund tausend israelische Männer und Frauen den verpflichtenden Militärdienst verweigert. Israelische Medien gehen davon aus, dass seit Januar 2025 über 100.000 Reservistinnen nicht mehr zum Militärdienst erschienen sind, teils aus Erschöpfung, teils wohl aus Protest, so Justus Wolters.

"Menschen fangen an, zu verweigern, weil sie sehen, was dieser Krieg anrichtet. Dennoch sind in der Armee immer noch viele Soldaten, die alles tun, was ihnen gesagt wird."
Itamar Greenberg, Militärdienstverweigerer und Aktivist

Armee und Krieg, das sind Themen, mit denen in Israel jede*r zu tun hat, berichtet Bettina Meier, Korrespondentin im ARD-Studio Tel Aviv. Es gebe diejenigen, die stolz über ihre Zeit im Krieg berichten, aber auch diejenigen, die nach Einsätzen traumatisiert zurückkommen und beispielsweise nicht mehr in der Lage sind, ihren Beruf auszuüben. Genauso gebe es diejenigen, die den Krieg aus Prinzip ablehnen und auf eine diplomatische Lösung setzen. Dazu gehören auch die Angehörigen der Geiseln, von denen sich viele immer noch in den Händen der Hamas befinden.

"Fast jeder junge Mensch in Israel hat Kriegserfahrung. Das können wir uns in Deutschland gar nicht vorstellen."
Bettina Meier, ARD-Studio Tel Aviv

Grundsätzlich werde Kritik am Militär- und Kriegsdienst nicht gern gesehen. Doch noch, sagt die Journalistin, ist die Zahl derjenigen, die verweigern, nicht groß genug. "Doch wenn eine flächendeckende Bewegung daraus werden sollte, wird man den Dialog suchen müssen."

Noch scheint ein erneuter Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas nicht ausgeschlossen. Sollte er am Ende nicht erlangt werden und sollte Israel seine angekündigten Kampfhandlungen ausweiten, dürfte der Krieg für noch mehr Israelis näher rücken, sagt Bettina Meier. Dann werden jene verschickten zehntausenden Einberufungsbefehle Realität. Es werde sich zeigen, wie sich die Reservisten verhalten.

Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an Info@deutschlandfunknova.de

Shownotes
Krieg in Gaza
Warum Israelis Nein zur Armee sagen
vom 14. Mai 2025
Moderation: 
Ilka Knigge
Gesprächspartner: 
Justus Wolters, Deutschlandfunk-Nova-Reporter
Gesprächspartnerin: 
Bettina Meier, ARD-Studio Tel Aviv