Nach rund 15 Monaten Krieg endlich ein Waffenstillstand zwischen Israel und Hamas. Frieden bedeutet das noch lange nicht. Die Deutsch-Palästinenserin Jouanna Hassoun und Shai Hoffmann, deutscher Jude mit israelischen Wurzeln, zeigen in Deutschland, wie Versöhnung gehen kann.
Zwischen Israel und der Hamas wurde eine Waffenruhe verhandelt, Geiseln und Gefangene wurden ausgetauscht. In Gaza ist die Freude unermesslich, sagt Jouanna Hassoun, Geschäftsführerin des Bildungsvereins Transaidency. Sie erzählt, dass ihre Freunde, die Familie und Bekannte in Gaza jetzt endlich wieder schlafen gehen oder Mehl holen können, ohne dabei um ihr Leben fürchten zu müssen.
"Ich bin als Palästinenserin in einem palästinensischen Flüchtlingslager im Süden vom Libanon auf die Welt gekommen."
Jouanna ist deutsche Staatsbürgerin und geflüchtete Palästinenserin. Ihre Familiengeschichte ist verbunden mit der Flucht aus Palästina. Weil sie selbst Frieden schaffen möchte, versucht sie, die israelische Seite zu verstehen.
Shai Hoffmann ist deutscher Jude mit israelischen Wurzeln. Seine Mutter folgte Ende der Siebzigerjahre seinem Vater nach Deutschland. Shai ist Anfang der Achtzigerjahre in Deutschland zur Welt gekommen und hatte immer ein enges Verhältnis zu seinen Verwandten und der Familie in Israel. Sein Großonkel ist Auschwitz-Überlebender. Bei einem Israel-Aufenthalt ist Shai selbst einmal mit dem Bus auf die andere Seite gefahren, um zu sehen, wie sich dort anfühlt und um die Palästinenser zu verstehen.
Projekt für mehr Verständnis und mehr Sachlichkeit
Shai und Jouanna lernen sich an einer Schule kennen. Zusammen überlegen sie in deutschen Schulen ein Projekt zu starten, damit sich Palästinenser*innen und Juden und Jüdinnen in Deutschland besser gegenseitig verstehen. Zunächst findet die Idee wenig Anklang bei den Schulen.
Seit dem 7. Oktober 2023 aber, als die Hamas Israel überfällt und der Konflikt in Nahost zu einem Krieg wird, sind sie mit ihrem Projekt "Trialoge" an vielen Schulen, um mit Jugendlichen in Dialog zu kommen und sie miteinander ins Gespräch zu bringen, um die Debatte über den Nahostkonflikt ein wenig zu versachlichen und mehr gegenseitiges Verständnis für die unterschiedlichen Positionen zu schaffen.
Jouanna berichtet, dass sie häufig erlebt, vor einer Gruppe junger Menschen mit Migrationshintergrund zu sitzen, die eine sehr stark pro-palästinensischer Haltung haben. Teilweise könnten sie dadurch das Leid jüdischer Menschen nicht mehr sehen, erzählt sie.
"Da machen wir immer wieder darauf aufmerksam, dass auch jüdische Menschen am 7. Oktober gelitten haben und dass es auch anders geht – dass es auch in Israel und Palästina Menschen gibt, die sich sowohl für jüdisches als auch für palästinensisches Leben engagieren."
Shai und Jouanna nutzen ihre eigenen Biografien, um ein gegenseitiges Mitgefühl zu vermitteln und zu zeigen, dass sich Juden und Muslime oder Israelis und Palästinenser nicht hassen müssen. Wichtig sei es damit anzufangen, die jeweils andere Seite zu verstehen und positive Beispiele zu präsentieren, bei denen palästinensische und israelische Menschen füreinander einstehen.
Manchmal ist es die erste Begegnung mit Empathie für die andere Seite, sagt Jouanna, die der wichtige Anfang ist. In ihrem Projekt versammeln sich Menschen, Plästinenser*innen und Jüd*innen, die sich die Hand reichen.
"Ich werde immer für jüdisches Leben und physische Sicherheit einstehen und bin auch da, um zu Versöhnung beizutragen."
Die Haltung, die sie mit dem Projekt zu vermitteln versuchen, ist Menschlichkeit, sagt Shai. Vergebung beider Seiten ist der erste Schritt Verzeihen, glaubt er. Das wiederum führe zu Versöhnung und Frieden.
Für Jouanna steht fest, dass es Räume braucht, in denen die Menschen heilen können, um weitermachen zu können. Für die Zukunft wünscht sie sich, dass Deutschland die Geschichte der Palästinenser*innen anerkennt und dass es eine ganzheitliche Lösung für alle, für Juden und Muslime, für Israelis und Palästinenser gibt.
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