Wer aus seiner Heimat flieht, muss sich am Zufluchtsort alles neu aufbauen. Wie gut das gelingt, entscheidet sich oft direkt in der ersten Zeit nach der Einreise. Ein Vortrag des Sozialwissenschaftlers Dominik Hangartner.
Den Weg zum Supermarkt, zum Krankenhaus, zur Schule finden. Die Kinder in der Schule anmelden. Fahrkarten für den öffentlichen Nahverkehr besorgen. Neue Freunde finden. Eine Arbeit suchen. Geflüchtete müssen sich an ihrem Zufluchtsort die Strukturen ihres Alltagslebens mühsam wieder aufbauen. Manchen gelingt das besser als anderen. Woran das liegt, erforscht Daniel Hangartner.
"Alle empirischen Studien weisen auf die Existenz eines Integrationsfensters hin: Instrumente, Maßnahmen und Unterstützungen, die kurz nach der Einreise ansetzen, haben einen überproportional positiven Effekt."
Daniel Hangartner ist Professor für Politikanalyse und Co-Direktor des Immigration Policy Labs. Das ist ein Forschungsprojekt der ETH Zürich und der Stanford University. Untersucht wird dort, wie man Migration sowohl für Migranten und Geflüchtete als auch für die Zufluchtsländer besser gestalten kann.
Eine Erkenntnis ist, dass es ein sogenanntes Integrationsfenster gibt. Gemeint ist damit ein bestimmter Zeitraum nach der Ankunft im Zufluchtsland. Instrumente und Unterstützungen, die hier stattfinden, wirken sehr gut und langfristig.
Unterbringung in Gastfamilien führt langfristig zu mehr sozialen Kontakten
Dazu arbeiten Hangartner und sein Team vor allem mit statistischen Analysen. So haben sie zum Beispiel untersucht, was für einen Unterschied es macht, ob jemand die ersten Monaten nach seiner Ankunft in einer Gastfamilie oder in einer großen Flüchtlingsunterkunft verbringt. Das Ergebnis: Wer am Anfang in einer Gastfamilie unterkommt, der profitiert davon langfristig, das heißt: auch lange noch, nachdem er bei der Gastfamilie ausgezogen ist. Menschen, die ihre ersten Monate bei einer Gastfamilie waren, haben bessere soziale Kontakte und können ihre neue Umgebung besser navigieren.
"Die private Unterkunft führt zu mehr Sozialkontakten, stärkt das Gefühl, Teil der Gesellschaft hier zu sein und das Wissen und die Fähigkeit, Deutschland zu navigieren."
Am Beispiel der Schweiz zeigt Hangartner auch, dass es einen Unterschied macht, welche Geflüchteten welchem Kanton zugewiesen werden. Deshalb hat er mit seinem Team einen Algorhythmus entwickelt, nach dem Geflüchtete so auf Kantone verteilt werden, dass die Wahrscheinlichkeit, dass sie Arbeit finden, maximiert wird. In seinem Vortrag erklärt Hangartner, auf welchen Daten dieser Algorhythmus aufbaut, und wie er sich in der Praxis umsetzen lässt.
Dominik Hangartner ist Professor für Politikanalyse und Co-Direktor des Immigration Policy Lab. Sein Vortrag hat den Titel "Das 'Integrationsfenster': Wie sich die ersten Monate nach Ankunft auf die langfristige Integration von Geflüchteten auswirken". Er hat diesen Vortrag am 27. November 2024 in Halle (Saale) gehalten im Rahmen des Symposiums "Migration" der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina.