Selbst wenn wir wissen, dass Tabletten, die wir einnehmen, keinen Wirkstoff enthalten, können sie Krankheitssymptome lindern. Das haben neuere Studien nachgewiesen.

Placebos funktionieren: Bei Erwachsenen, Kindern und sogar bei Tieren. In Tests hat man Probanden und Probandinnen Tabletten und Pillen ohne Wirkstoffe verabreicht, um bestimmte Symptome zu behandeln. Und dabei konnten Forschende beobachten, dass die Präparate den Betroffenen in vielen Fällen eine gewisse Linderung verschaffen konnten.

"Man geht so vor, dass man ein Medikament immer zusammen mit einem Placebo über eine gewisse Zeit einnimmt, sodass dann etwas wie eine Kopplung entsteht."
Dilan Sezer, Psychologin an der Uni Basel

Bisher galt die vorherrschende Annahme, dass Placebos nur dann wirken, wenn die damit behandelte Versuchsperson nicht weiß, ob es sich bei einer Tablette um ein Placebo oder tatsächlich um ein Medikament handelt.

Diese Annahme scheint jetzt durch neuere Studien widerlegt worden zu sein. Zum Beispiel durch einen Versuchsaufbau, den die Psychologin Dilan Sezer mit einem Forschungsteam entworfen hat. An der Uni Basel erforscht sie die Wirkung von Placebos.

Die Forscherin und ihr Team forderten Probandinnen und Probanden dazu auf, sich an eine Situation zu erinnern, in der sie einer vertrauten Person unrecht getan hatten. Daraufhin bekamen manche der Teilnehmenden ein Präparat gegen ihre Schuldgefühle, andere hingegen nicht.

Schuldgefühle lindern

Die Teilnehmenden wurden für diesen Versuch in drei Gruppen aufgeteilt:

  • eine Kontrollgruppe, die nicht behandelt wurde
  • eine zweite Gruppe, der gesagt wurde, dass sie ein sogenanntes Phytopharmakon einnimmt, das gegen Schuldgefühle hilft
  • eine dritte Gruppe, der gesagt wurde, dass sie ein Placebo einimmt

Versuchspersonen, die das Placebo einnehmen sollten, wurde gesagt, dass das Präparat trotzdem helfen könnte. Die Forschenden sagten den Probanden, dass zum Beispiel Erwartungen hilfreich sein könnten. Oder auch, dass der Körper automatisch auf die Einnahme von Pillen reagieren kann und dass es so zu einer Wirkung kommen könne.

Interessant war für die Forschenden, sagt die Psychologin Dilan Sezer, dass auch die Menschen, die ein Placebo geschluckt hatten, angaben, dass es ihnen danach besser ging.

Andere Studien kommen zu ähnlichen Resultaten

Dieses Ergebnis entspricht den Resultaten aus anderen neueren Studien, die belegen, dass offen verabreichte Placebos helfen können. Unter anderem zum Beispiel bei Migräne, Rückenschmerzen, Müdigkeit, Reizdarmsyndrom und Hitzewallungen in der Menopause.

Das widerspricht dem, was Forschende lange Zeit angenommen haben: Dass Placebos nur wirken, weil die Patienten und Patientinnen davon ausgehen, dass sie tatsächlich die benötigten Medikamente einnehmen.

Annahmen zur Wirkungsweise

Genau kann man diese Wirkungsweise noch nicht erklären, sagt Dilan Sezer. Aber es gibt ein paar Annahmen, um dieses Phänomen zu erklären.

Forschende gehen davon aus, dass der Körper über die Zeit lernt, dass die Einnahme von Pillen mit einer Verbesserung oder einer Erleichterung einer gewissen Beschwerde zusammenhängt.

Das könnte automatisch gewisse Prozesse im Körper in Gang setzen, die dann auch auf neurobiologischer Ebene nachgewiesen werden könnten, lautet der Erklärungsansatz von Dilan Sezer.

Wie Placebos in Zukunft eingesetzt werden könnten

Ein weiterer Effekt, der für die langfristige Behandlung von Krankheiten künftig eine Rolle spielen kann: Medikamente und Placebos gemeinsam zu verabreichen. Das führt zu einer Art Koppelung, sagt die Psychologin. Und es gehe soweit, dass man in manchen Fällen nach einer gewissen Zeit die Dosis des tatsächlichen Medikaments reduzieren oder es ganz weglassen kann, sagt Dilan Sezer.

Die Einnahme laufe so unterbewusst ab, dass die Information darüber, ob das Präparat einen Wirkstoff enthält – oder nicht, keine große Rolle mehr spielt. Denn es lässt sich zum Beispiel nachweisen, dass der Körper nach der Einnahme körpereigene Opioide ausschütten kann, die auch Schmerzen lindern.

Aber auch die bewusste Erwartung spielt eine Rolle – deswegen ist wohl der Hinweis wichtig, dass die Zuckerpillen wirken können. Auch das Vertrauen zu der Person, die einem die Pillen gibt, spielt eine Rolle, sagt Dilan Sezer. All diese Effekte könne man bei Therapien mit Medikamenten nutzen, ganz ohne zu behaupten, dass man ein Medikament verabreicht, wenn es sich in Wirklichkeit um ein Placebo handelt.

Shownotes
Gesundheit
Placebos helfen – auch wenn wir wissen, dass es keine Arznei ist
vom 13. Februar 2023
Moderation: 
Nik Potthoff
Autorin: 
Sophie Stigler, Deutschlandfunk Nova