Sie mussten in der Kindheit töten und wurden selbst mit dem Tod bedroht. Nach Jahren des Bürgerkriegs in Uganda bleiben tausende versehrte Menschen zurück. In ihren Seelen hat die Gewalt tiefe Spuren hinterlassen.

In Uganda wurden tausende Kinder von der Terrormiliz Lord’s Resistance Army (LRA) entführt und zum Kämpfen gezwungen. Knapp 40.000 Kinder und etwa gleich viele Erwachsene sind nach Schätzungen bis 2006 von der religiösen Miliz entführt worden. Inzwischen ist der Bürgerkrieg im Land beendet.

Über viele Jahre wütete die Terrormiliz in dem Land. Sie verehrt den Anführer Joseph Kony als Messias. Ihr Ziel war die Errichtung eines religiösen Gottesstaats mit christlichem Anstrich. Inzwischen trägt die militante Organisation ihre Kämpfe überwiegend in den Nachbarstaaten Ugandas aus. Joseph Kony soll 2017 noch rund 100 Soldaten befehligt haben.

Die von der LRA missbrauchten Kinder und Jugendlichen bleiben zurück.

Waffen als Statussymbol

Schon die Rekrutierung war gewaltreich. Die Miliz setzte oft Schläge ein, um Kinder für den Kriegseinsatz gefügig zu machen. Erst danach sind sie mit einer Waffe ausgestattet worden, das wirkt wie eine Belohnung. Die Psychologin Anett Pfeiffer erklärt, dass dieser verwirrende Mechanismus tatsächlich funktioniert: Erst Demütigung, dann Stolz auf die Waffe.

"Kinder wurden sehr stark geschlagen, dann wurde ihnen teilweise eine Waffe gegeben Das ist etwas sehr Verwirrendes für Kinder. Sie sind dann trotzdem stolz drauf, die Waffe zu haben, ein Statussymbol."
Anett Pfeiffer, Traumapsychologin, arbeitet im Norden Ugandas mit ehemaligen Kindersoldaten

Mit pseudo-religiösen Ritualen wird den Kindern eine Gehirnwäsche verpasst. Ihnen wurde eingetrichtert, dass der Milizenführer Joseph Kony alles sehen und hören könne. Viele fürchteten sich deshalb vor einer Flucht. Fluchtversuche der Kinder sind in der Regel mit dem Tod bestraft worden.

Viele der Kindersoldaten sind gezwungen worden gemeinsam mit anderen Soldaten ihre Heimatdörfer anzugreifen. Manche der zurückkehrenden Jungen haben also ihre eigenen Nachbarn ermordet oder ausgeraubt.

Versklavte Kinder

Mädchen, die von der LRA entführt wurden, wurden Opfer massiver sexualisierter Gewalt. Der internationale Strafgerichtshof in den Haag klagte die militärische und spirituelle Führung der LRA im Jahr 2005 auch wegen sexueller Versklavung von Kindern an. Die Mädchen kehren nach Hause zurück, viele mit Kindern von LRA-Kämpfern. Diese Mädchen und jungen Frauen kämpfen bis heute mit Anfeindungen.

Diese brutale Kindheit hinterlässt schwere seelische Verletzungen. Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Minh Thu Tran hat in Norduganda mit Okot, einem ehemaligem Kindersoldaten gesprochen. Ihm ist nach zwei Jahren die Flucht aus der Terrormiliz gelungen. Seit seiner Rückkehr kämpft er mit den Erinnerungen.

"Vor dem Abmarsch pfiff zum Beispiel immer jemand. Das Trauma kam bei mir immer dann hoch, wenn ich jemanden pfeifen hörte. Dann packte ich rasch meine Sachen zusammen und lief einfach los."
Okot, ehemaliger Kindersoldat, lebt im Norden Ugandas

Dazu kamen bei Okot Flashbacks, schreckliche Albträume, starke Schmerzen in der Brust. In Gefangenschaft und als Kindersoldaten haben diese Menschen gelernt, dass Aggression belohnt wird. Deswegen haben sie oft auch Probleme mit Gewalt- und Aggressionskontrolle.

Viele ehemalige Kindersoldaten werden außerdem abhängig von Drogen oder Alkohol, manche nehmen sich das Leben. Okot kann auf psychologische Hilfe zurückgreifen, um seine Traumata zu bewältigen. Grundsätzlich sind die psychologischen Behandlungsmöglichkeiten im ländlichen Nord-Uganda begrenzt.

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Shownotes
Uganda
Traumatisiert fürs Leben: Kindersoldaten nach dem Krieg
vom 12. Februar 2020
Moderatorin: 
Sonja Meschkat
Gesprächspartnerin: 
Minh Thu Tran, Deutschlandfunk-Nova-Reporterin