Ruby schaut sich Posts und Storys von Menschen an, die sie kritisch sieht. Sie regt sich über die Inhalte auf und auch darüber, wenn sie in den Kommentaren nur Lob liest. Mit der Journalistin Ingrid Brodnig sprechen wir darüber, was uns beim Hate Following antreibt.
Ruby liest Posts von Personen, die sie eigentlich nicht leiden kann und über deren Inhalte sie sich oft aufregt. In den meisten Fällen hat sie auf den Profilen den Entfolgen-Button geklickt, aber sie ertappt sich doch immer wieder dabei, dass sie trotzdem vorbeischaut und guckt, was dort so gepostet und geschrieben wird. Hate Following nennt sich das.
Zwei Profile, die sie gelegentlich besucht, sind die von Romina Palm und Christian Wolf. In den Inhalten geht es oft um Ernährung und Aussehen. Ruby teilt die Tipps und Ansichten der Influencer nicht. "Ich gehe da so drauf und denke: 'Ah, das ist irgendwie ungesund'", sagt sie.
"Meistens geht es mir dadurch nicht besser, weil ich mich dadurch getriggert fühle und mich hinterfrage. Und denke: 'Vielleicht muss ich doch so leben, wie sie.'"
Manchmal fühlt sie sich durch die Posts getriggert und stellt sich selbst infrage. Aber: Wenn sie die Kommentare liest und in den Kommentaren Kritik findet, die ihre eigene Meinung widerspiegeln, dann fühlt sie sich bestätigt. Das empfindet Ruby dann eher wie eine Genugtuung.
Wiederum andere Profile sind für sie eine Art Unterhaltung, sie vergleicht das ein bisschen mit Comedy. Aber Ruby fragt sich durchaus: "Ist mein Leben zu langweilig, dass ich da immer wieder da draufgehe und mir das reinziehe?"
Hate Following und das Gefühl von Wut
Ingrid Brodnig ist Journalistin und Publizistin. Sie ist spezialisiert auf digitale Themen. Auch Ingrid Brodnig ertappt sich regelmäßig beim Hate Following. Sie findet das Phänomen interessant, weil es Wut triggert. "Wut ist eine stark aktivierende Emotion. Wenn einen was wütend macht, möchte man allen Leuten davon erzählen", sagt sie.
"Gerade im Internet passiert das, dass wir mit sehr vielen Inhalten in Kontakt kommen, die uns irgendwie auf die Palme bringen."
Ingrid Brodnig beobachtet, was Wut mit uns macht: Eine starke Emotion, die vor allem dann auftaucht, wenn wir das Handeln einer anderen Person unrechtmäßig, moralisch falsch oder verwerflich empfinden. "Und wir fühlen uns dann vielleicht auch besser als diese Person, die gerade etwas ganz Derbes, Schlechtes macht", sagt sie.
Im Netz können Inhalte, über die wir uns aufregen, uns also für einen Moment besser fühlen lassen, wenn wir darüber lästern. "Wenn ich dann auch noch andere Leute finde, die sich ebenfalls aufregen, dann kann regelrecht das Gefühl von Gemeinschaft entstehen, dass man gemeinsam über jemanden ablästert", sagt Ingrid Brodnig.
"Dieses Sich-Erhaben- oder Besser-Fühlen oder Sicher-Sein in den eigenen Positionen – das ist ein ganz wichtiger Punkt."
Manchmal helfe das Gefühl auch dabei, sich über die eigenen Werte und die eigene Weltsicht klarer zu werden. Die Journalistin empfiehlt deswegen genau hinzuschauen und sich selbst zu hinterfragen, wenn wir Wut verspüren. Woher kommt dieses Gefühl? Wodurch wird es ausgelöst? "Nicht jede Form von Wut ist automatisch schlecht", sagt Ingrid Brodnig.
Rage-baiting ist eine Art des Postens, die – analog zum allgemeineren Click-baiting – dieses Wutgefühl ausnutzt, um Aufmerksamkeit zu binden und Webtraffic zu generieren.
Die Kehrseite der Wut sei jedoch, dass uns dieses Gefühl auch oft blind mache. In der Folge könnten wir unsere eigene Sichtweise zu sehr festigen und andere Meinungen völlig aus dem Blick verlieren. Auch ein Denken in Stereotypen könne daraus resultieren, so Ingrid Brodnig: "Wer wütend ist, hat vielleicht auch kein Gespür mehr für die Zwischentöne oder wir sehen auch, dass Wut Menschen dazu bringt, Falschheiten zu glauben."
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- Ruby, schaut sich Posts und Storys an, von denen sie weiß, dass sie sie aufregen.
- Ingrid Brodnig ist Journalistin und erklärt, was hinter Hate Following steckt.