Wie es dazu kommt, dass wir uns bei einem Elfmeter für eine bestimmte Ecke eines Tores entscheiden, hat ein Team von Neurowissenschaftlern aus Göttingen untersucht. Dabei haben sie festgestellt: Es laufen mindestens zwei Prozesse gleichzeitig im Hirn ab, die unsere Entscheidung beeinflussen.

Welche Entscheidungsprozesse im Gehirn ablaufen, wenn eine Fußballerin oder ein Fußballer einen Elfmeter ausführt, haben Neurowissenschaftler am Deutschen Primatenzentrum (DPZ) in Göttingen untersucht. Die Forschenden haben zwei Rhesusaffen darauf trainiert, eine Aufgabe zu lösen. Sie sollten entscheiden, an welchem Bildschirmrand – also am rechten oder linken – ein kreisförmiges Symbol erscheinen wird.

Zuvor wurden zwei Pfeile angezeigt: ein blauer und ein violetter. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Symbol in der Ecke erscheinen würde, in die der violette Pfeil zeigte, war jeweils höher. Allerdings wurde das Ergebnis immer wieder auch variiert und das Symbol erschien in der anderen Ecke des Bildschirms. Oder der Kreis wurde auf beiden Seiten des Touchscreens angezeigt und der Primat konnte frei auswählen. Bei diesem Entscheidungsprozess wurde die Hirnaktivität der Rhesusaffen gemessen.

"Das kennt man, wenn Leute beim Elfmeterschießen beispielsweise verschießen. Die laufen an und denken: "Ich will nicht gegen den Pfosten schießen, nicht gegen den Pfosten schießen, nicht gegen den Pfosten schießen ..." und schießen gegen den Pfosten."
Henning Beck, Neurowissenschaftler
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Wenn ein Stürmer auf dem Fußballfeld einen Elfmeter tritt, dann muss er sich entscheiden, ob er in die rechte oder in die linke Ecke des Tores schießt. Die Forschenden haben festgestellt, dass zwei verschiedene Arten von Nervenzellen in der gleichen Hirnregion an dieser Entscheidung beteiligt sind. Zum einen sind es die Nervenzellen, die erst aktiv sind, wenn wir eine Tendenz ausgebildet haben. Das heißt, wenn wir beispielsweise entschieden haben, dass wir den Ball in die obere rechte Ecke des Tors kicken wollen. Solange es diese Tendenz nicht gibt, sind diese Nervenzellen inaktiv.

Dualer Prozess bei der Entscheidungsfindung

Eine zweite Art von Nervenzellen repräsentiert alle möglichen Optionen, die wir haben. Also zum Beispiel den Elfmeterschuss in die linke unter oder obere Ecke oder rechte untere oder obere Ecke oder in die Mitte des Tores. Während wir uns für eine bestimmte Option entscheiden, bietet die andere Gruppe von Nervenzellen uns weiterhin alle möglichen Optionen, sodass wir im Prinzip noch die Möglichkeit haben, uns in der allerletzten Sekunde wieder umzuentscheiden.

Um zu einem Ergebnis zu kommen, eliminieren wir nacheinander alle Optionen, die nicht als erfolgversprechend oder richtig erscheinen.

"Wenn ich Torwart bin, kann ich den Leuten eine Entscheidung ein bisschen nahelegen. Man könnte leicht andeuten, dass man nach rechts springt und dann wird sich der Schütze eher für die andere Ecke entscheiden."
Henning Beck, Neurowissenschaftler

Automatisierte Handlungen nicht "kaputt denken"

Ein Elfmeterschießen ist meist eine sehr stressige Situation, weil sie beim Fußball spielentscheidend sein kann. Und weder der ausführende Spieler noch der Torwart wollen – durch einen unbedachten Schuss oder einen Patzer beim Halten des Balles – einen Fehler machen, der eindeutig in ihrer Verantwortung liegt. In diesem Moment können wir allerdings den Fehler machen, dass wir die Situation "kaputt denken", das heißt, uns den Ablauf zu detailliert durchdenken und dadurch zum Beispiel einen Fehler machen.

Konzentriert die Aktion zu durchdenken, kann den Entscheidungsprozess stören

Der Neurowissenschaftler Henning Beck sagt, dass ein Spieler, der im Moment des Schusses sich zu sehr darauf konzentriert, nicht auf den Pfosten zu schießen, dass vielleicht genau aus diesem Grund dann doch tut. Bei einem Elfmeter handelt es sich für einen Profifußballer um eine Aktion, die er oft geübt hat und die deswegen zum automatisierten Repertoire zählen kann. Wer sich die einzelnen Bewegungen und Schritte dieser Handlung zu genau vorstellt und zu konzentriert darüber nachdenkt, stört eher den Entscheidungsprozess, der gerade im Hirn abläuft.

Torwart kann Einfluss darauf nehmen, wohin geschossen wird

Der Torwart kann unsere Entscheidung mit seinem Verhalten beeinflussen. Wenn er eine leichte Bewegung in die linke Ecke des Tores macht, kann das dazu führen, dass wir uns für die rechte Ecke entscheiden. Auch wenn der Torwart wieder in die neutrale Position in der Mitte zurückkehrt. Wenn wir einmal eine Tendenz ausgebildet haben, dann bleiben wir oft dabei, auch wenn sich die Bedingungen um uns herum wieder verändern. Dieses Wissen können Torwarte nutzen, um Einfluss auf die Richtung des Elfmeterschusses zu nehmen.

Shownotes
Hirnforschung
Das Elfmeterschießen im Kopf entscheiden
vom 14. Dezember 2019
Moderator: 
Thilo Jahn
Gesprächspartner: 
Henning Beck, Neurowissenschaftler