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Früher mochte Lena ihre Hochsensibilität nicht, heute sieht sie sie als Stärke an. Ungefähr jeder Fünfte ist hochsensibel, sagt ein Psychologie-Professor. Und: Ein "zu sensibel" gibt es nicht. Denn sich selbst gut zu kennen, kann helfen.

Manchmal wird es Lena einfach zu viel: Sie bekommt jede Gefühlsregung ihres Gegenübers mit. In manchen Fällen fühlt es sich für sie so an, als ob sie diese Emotionen intensiver erlebt als die- oder derjenige, die ihr davon erzählt. Sie ist oft in Situationen, in denen sie sich zurückziehen muss, um sich selbst vor einer Überforderung zu schützen.

"Ich bin viel intensiver in dieser Wahrnehmung, was ein Mensch nach außen ausstrahlt."
Lena, ist hochsensibel

So war es schon immer, aber Lena wusste lange nicht, woran das liegt. Ein Gespräch mit einer Psychologin hat ihr Klarheit über ihre Eigenschaft gegeben.

"Solche Situation versuche ich zu unterbinden, damit meine Wahrnehmung von den Emotionen der anderen nicht reizüberflutet wird."
Lena, muss sich manchmal selbst vor Reizüberflutung schützen

Schon in der Schulzeit haben immer viele Trost oder ein offenes Ohr bei Lena gesucht. Vermutlich, weil sie besonders empathisch ist. Inzwischen hat sie herausgefunden, dass sie hochsensibel ist. Jetzt ergibt vieles mehr Sinn, was sie sich früher nicht erklären konnte.

Ein Porträt von Lena, sie lächelt und trägt ein weißes Blümchenkleid vor einer Mauer
© privat
Lena empfindet es mittlerweile als Stärke, hochsensibel zu sein. Das war aber nicht immer so.

Diagnostizieren lässt sich die Hochsensibilität im klassischen Sinne nicht, weil es dabei nicht um eine Persönlichkeitsstörung handelt. Es ist ein Temperamentsmerkmal, das sich durch eine höhere Reizverarbeitung und eine höhere Empfindlichkeit äußert.

Dieses Merkmal kommt bei rund 20 Prozent der Menschen in Deutschland vor, sagt Philipp Yorck Herzberg. Er ist Professor für Persönlichkeitspsychologie und Psychologische Diagnostik.

"Ich empfinde die Gefühle meiner Mitmenschen genauso, wie die Personen das gerade empfinden – vielleicht teilweise sogar noch verstärkter."
Lena, ist hochsensibel

Fragebögen im Netz sind nicht unbedingt seriös, sagt Philipp Yorck Herzberg. Sie sind nicht wissenschaftlich überprüft. Aber es gibt auch Fragebögen, die wissenschaftlich fundiert sind, die der Professor für Psychologische Diagnostik an der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg, an der er lehrt, einsetzt.

Hochsensibilität und die Schwierigkeit für sich selbst einzustehen

Vor allem, wenn es darum geht, anderen Grenzen aufzuzeigen, hat Lena als Hochsensible Schwierigkeiten. Für sich selbst einzustehen, fällt ihr oft schwer. Insgesamt hat es sich für Lena nicht immer positiv angefühlt, so zu sein, wie sie ist.

Doch je mehr sie ihre Eigenschaft akzeptiert, desto mehr kann sie ihre Hochsensibilität als etwas Positives sehen. Vor allem, dass sie so gut Empathie zeigen kann, hat sie an sich zu schätzen gelernt.

Lena wünscht sich, dass mehr Leute erkennen, dass es nicht einfach ist, hochsensibel zu sein, dass es aber dennoch eine tolle Eigenschaft ist. Außerdem sagt sie, dass sie hofft, dass mehr Menschen lernen, die Grenzen anderer zu akzeptieren.

"Es gibt kein zu sensibel, sondern eben nur die Erkenntnis, wie ich auf meiner Umwelt reagiere und wie ich das in meinem Leben integrieren kann."
Miriam Junge, Diplom-Psychologin, Psychologische Psychotherapeutin für Verhaltenstherapie und Autorin

Wenn Lena entscheidet, dass sie nicht mit anderen ins Restaurant gehen möchte, sondern lieber zu Hause bleiben mag, werden ihre Bedürfnisse nicht unbedingt immer ernst genommen. Dann versuchen andere sie mitunter zu überreden, doch mitzukommen. "Sei nicht so sensibel", heißt es dann womöglich.

Hochsensibilität ist keine Diagnose, sondern ein Persönlichkeitsmerkmal

Miriam Junge ist Psychologische Psychotherapeutin. Sie, lehnt solch eine Kategorisierung ab. Zu sensibel gibt es nicht, findet sie. Die Psychologin sagt, dass es wichtig ist, sich selbst gut zu kennen. Zu wissen, in welchen Situationen man besonders feinfühlig reagiert. Und sich selbst auch vor einer Überforderung zu schützen.

Wer für sich herausfinden möchte, ob er hochsensibel ist, kann die Selbsttests von der US-amerikanischen Psychologin Elaine Aron ausfüllen. Sie hat sich wissenschaftlich mit Hochsensibilität befasst und bietet mit ihren Tests eine Orientierung, sagt Miriam Junge.

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Shownotes
Hochsensibel
Wie lernen wir unsere Gefühle besser kennen?
vom 23. Juni 2025
Gesprächspartnerin: 
Lena, ist hochsensibel
Gesprächspartner: 
Philipp Yorck Herzberg, Professur für Persönlichkeitspsychologie und Psychologische Diagnostik, Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg
Gesprächspartnerin: 
Miriam Junge, Diplom-Psychologin und psychologische Psychotherapeutin für Verhaltenstherapie, Coachin, Autorin
Autorin und Host: 
Shalin Rogall
Redaktion: 
Betti Brecke, Christian Schmitt; Friederike Seeger, 
Produktion: 
Jan Morgenstern