Mit dem Gesetz zur nationalen Sicherheit hat die chinesische Regierung die Demokratiebewegung in der Sonderverwaltungszone Hongkong geschwächt. Das ist ein Jahr her. China-Korrespondentin Ruth Kirchner berichtet von Eingriffen in die Pressefreiheit.
Vor einem Jahr erlies die Kommunistische Partei Chinas als Reaktion auf prodemokratische Proteste in Hongkong ein Gesetz zur nationalen Sicherheit. Kritiker sehen in der Maßnahme den Versuch, Chinas Einfluss in der Sonderverwaltungszone zu stärken. Zum Hintergrund: Bis 1997 war die Metropole in Ostasien Mitglied des Commonwealth. Hongkongs Bewohner führen im Gegensatz zu Festlandchina eine eher westliche Lebensweise.
Den westlichen Einfluss möchte China zurückdrängen. Seit Jahren prallen unterschiedliche Vorstellungen aufeinander. Auf prodemokratischen Demonstrationen kommt es immer wieder zu Gewalt und Festnahmen.
Neues Gesetz stellt vieles unter Strafe
ARD-Korrespondentin für China, Ruth Kirchner, berichtet, dass das vor einem Jahr verabschiedete Gesetz zur nationalen Sicherheit den Einfluss Chinas in der Region verstärkt hat. Auch wenn das Gesetz vage formuliert sei, stelle es vieles unter Strafe. "Alles, was als spalterisch, terroristisch und subversiv wahrgenommen wird, ist verboten." Auch Verschwörung mit ausländischen Kräften, um die nationale Sicherheit zu gefährden, kann durch das Gesetz bestraft werden.
Noch vor einem Jahr sagte die Regierung in China, dass das Gesetz nur ganz wenige Menschen betrifft. Ruth Kirchner schätzt das anders ein und berichtet, dass das Gesetz zur nationalen Sicherheit auch in die Pressefreiheit eingreift. Wenn Journalist*innen beispielsweise in Zeitungskommentaren Sanktionen gegen China oder Hongkong fordern, könne das Konsequenzen haben.
Kritische Situation der Presse in Hongkong
Die Lage zur Pressefreiheit schätzt die Korrespondentin besonders kritisch ein. Hongkongs Medien seien zwar nicht staatlich zensiert wie in Festlandchina. Auch Internetblockaden gebe es noch nicht. Dennoch sei die Entwicklung nicht gut: Einige Medien nehmen ihre Kommentare von der Webseite, berichtet Ruth Kirchner. Die Journalist*innen zensieren sich selbst, meint sie.
"Wenn man in Zeitungen Sanktionen gegen China oder Hongkong fordert, hat das Konsequenzen. Wir sehen das an der mittlerweile eingestellten prodemokratischen Zeitung Apple Daily."
Die 1995 gegründete Zeitung wurde im Juni 2021 wegen ihrer kritischen Berichterstattung eingestellt. Der Chefredakteur und der Herausgeber sitzen in Untersuchungshaft, zahlreiche Journalist*innen der Apple Daily wurden festgenommen, das Vermögen der Zeitung ist eingefroren.
Das Gesetz wird weit ausgelegt, berichtet die China-Korrespondentin. Wer die Unabhängigkeit Hongkongs fordert, wer Protestslogans ruft, verstößt gegen das Gesetz.
Demokratiebewegung einschüchtern
Zwar seien Aktivisten wie wie Joshua Wong auch ohne das Sicherheitsgesetz ins Gefängnis gekommen, schätzt Ruth Kirchner, weil die Teilnahme an nicht genehmigten Protesten auch schon vorher zu Haftstrafen geführt hat. Dennoch helfe das Gesetz China dabei, die Akteur*innen der Demokratiebewegung einzuschüchtern.
"Nun sehen wir eine Verrechtlichung der Unterdrückung. Die Gesetze in Hongkong werden ganz bewusst gegen Kritiker eingesetzt."
Die Demokratiebewegung schätzt Ruth Kirchner durch die Repressionen Chinas als weiter geschwächt ein, denn Demonstrationen werden nicht mehr erlaubt.
"Die Demokratiebewegung ist nicht mehr so laut. Demonstrationen werden in der Regel nicht mehr erlaubt."
Die Demonstrationsverbote hängen sicher auch mit der Corona-Pandemie zusammen. Jedoch übt die Kommunistische Partei Chinas massiven Druck auf die Sonderverwaltungszone aus.
Auch das Leben von Ruth Kirchner in Hongkong hat sich durch das Gesetz verändert.
"Ich habe in den letzten Monaten selbst viele meiner regulären Gesprächspartner verloren, weil sie entweder Bewährungsstrafen haben oder im Gefängnis sitzen. Ich habe mit dem ehemaligen prodemokratischen Abgeordneten Ted Hui gesprochen."
Im Gespräch mit dem ehemaligen prodemokratischen Abgeordneten Ted Hui erfährt die Korrespondentin, dass seine Freunde nur kurz mit ihm telefonieren möchten, weil sie Angst haben, abgehört zu werden. Seiner Verhaftung durch die chinesische Regierung hat er sich durch die Ausreise nach Australien entzogen.
Viele weitere Gesprächspartner*innen von Ruth Kirchner sitzen hingegen infolge des neuen Gesetzes entweder im Gefängnis oder haben eine Bewährungsstrafe bekommen.