Vor einem Jahr gingen erstmals die Menschen in Hongkong gegen ein umstrittenes Auslieferungsgesetz auf die Straße. Nun ist der Protest erneut entfacht. "Da ist noch Druck im Kessel", sagt der ARD-Korrespondent Steffen Wurzel. Gleichwohl hätten die Demonstranten gegen das mächtige Festland-China wohl kaum eine Chance.
Vor einem Jahr richteten sich die Proteste der Demonstrierenden in Hongkong noch gegen ein Auslieferungsgesetz, das die chinesische Zentralverwaltung für Hongkong einführen wollte. Die Bilder der teils schweren Ausschreitungen gingen um die ganze Welt.
Rückblickend erscheine das aber schon fast wie eine Kleinigkeit, sagt Steffen Wurzel, ARD-Korrespondent für Hongkong. Denn inzwischen habe die chinesische Staats- und Parteiführung in Peking ein sogenanntes Sicherheitsgesetz für Hongkong beschlossen, das den chinesischen Behörden erlaube, beispielsweise bei der Verfolgung von Separatismus, von Anti-Regierungs-Tendenzen oder von Terrorismus, eigenständig zu ermitteln. Mit diesem Gesetz könnte Peking die pro-demokratische Bewegung in Hongkong unterdrücken.
"Das Sicherheitsgesetz für Hongkong ist ein Riesenhorror für diese pro-demokratische Bewegung."
Zwar seien die Proteste in Hongkong derzeit wegen der Corona-Krise und den Abstandsregeln in der Größe nicht mit denen im vergangenen Jahr zu vergleichen, doch die Energie der Demonstrierenden sei auch bei den kleineren und mittelgroßen Demos jeden Tag deutlich spürbar. Auch das Netz und die Medien seien voll mit dem Thema.
Auch wenn die Proteste aus Sicht vieler Menschen aussichtslos scheinen, wollen sie den Kampf trotzdem führen - auch um internationalen Druck auf die chinesische Regierung aufzubauen, so der ARD-Korrespondent. Inhaltlich sei bisher zwar wenig erreicht worden, aber die internationale Aufmerksamkeit auf Hongkong sei deutlich gestiegen.
"Die Energie ist da. Das merke ich auch jeden Tag, wenn ich auf die einschlägigen Webseiten schaue. Die Medien sind voll mit diesem Thema. Da ist noch ein Riesendruck im Kessel, könnte man sagen."
Zudem gebe es Tendenzen in Europa und vor allem in den USA, der chinesischen Regierung, mit der jahrzehntelang gute Geschäfte gemacht wurden, in Sachen Menschenrechtsverletzung und Machtstreben genauer auf die Finger zu schauen, so der Korrespondent.
Hongkong-Frage: Boris Johnson lockt mit Einbürgerung
In der Hongkong-Frage scheint sich vor allem Boris Johnson gegenüber China profilieren und abgrenzen zu wollen, sagt Steffen Wurzel. Der britische Premierminister habe mit einem interessanten Plan überrascht. Grundsätzlich wolle er allen Menschen, die vor der Übergabe der früheren Kolonie 1997 geboren sind, ermöglichen, sich in Großbritannien niederzulassen, zu arbeiten und sogar eine ordentliche Staatsbürgerschaft zu erwerben.
Deutsche Zurückhaltung wird kritisiert
Deutschland genieße in Hongkong ein hohes Ansehen. Dem Land wird ein großes Gewicht in der Weltgemeinschaft zugeschrieben. Was das neue Sicherheitsgesetz angehe, hat die Deutschen Bundesregierung das zwar kritisiert, aber längst nicht in dem Maße wie etwa Australien, Taiwan, Japan, Großbritannien oder die USA, sagt der ARD-Korrespondent. Auch wenn sich Heiko Maas im vergangenen Jahr mit Joshua Wong, einem der Anführer der Protestbewegung, getroffen habe, viele Menschen seien regelrecht entsetzt, dass der Deutsche Außenminister in der Sache sonst so zurückhaltend agiere.
"Viele Menschen sind regelrecht entsetzt darüber, dass Heiko Maas sich zwar letztes Jahr mit Joshua Wong, einem der Anführer der Protestbewegung, getroffen hat, aber seitdem ziemlich die Klappe gehalten hat gegenüber der Führung in Peking."
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