In Deutschland sind viele Menschen ohne eigene Wohnung oder Unterkunft. Um diesen Menschen dauerhaft Wohnraum zu geben, könnte in Zukunft das amerikanische Konzept Housing First in einigen deutschen Städten ausgeweitet werden.
Neueste Zahlen der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe gehen davon aus, dass in Deutschland etwa 50.000 Personen vollständig auf der Straße leben. Rund 600.000 Menschen sind per Definition wohnungslos, leben also in Obdachlosenunterkünften, Flüchtlingsunterkünften oder zum Beispiel bei Freunden.
Gründe für Obdachlosigkeit können Überschuldung, hohe Mieten oder individuelle Probleme sein. In den USA gibt es gegen Wohnungslosigkeit einen Ansatz aus der Sozialpolitik: Beim Housing First durchlaufen Betroffene ein Stufenmodell, bei dem am Ende die eigene Wohnung steht. Ein obdachloser Mensch wechselt dabei zwischen verschiedenen Wohnformen.
"Der Ansatz von Housing First ist, dass Teilnehmende erst einmal regulär wohnen. In einem normalen, unbefristeten Mietverhältnis mit allen Rechten und Pflichten, die Mietende eben haben."
Das ist also anders als in Deutschland. Hier müssen Betroffene zunächst ihre Wohnfähigkeit unter Beweis stellen oder an einem Hilfsprogramm teilnehmen.
"Also wenn jemand sagt 'Ich gebe Ihnen eine Wohnung auf Zeit', dann sagt ein Obdachloser 'Das habe ich schon viermal hinter mich gebracht, da ziehe ich nicht ein. Ich weiß doch, ich muss in einem Jahr wieder ausziehen'."
Das funktioniert aber nicht, sagt Sebastian Böwe von Housing First Berlin und Sprecher des Housing First Bundesverbands. Denn diese Leute seien oft mehrfach durch das deutsche Hilfesystem gegangen und immer wieder aus verschiedensten Gründen gescheitert.
Hilfe ohne Zwang und Druck
Zahlen aus Deutschland – und anderen Ländern, in denen Housing first deutlich verbreiteter ist – beweisen, dass das Konzept funktioniert. Dem Housing-First-Bundesverband zufolge gelingt es mit Housing First in vier von fünf Fällen, die Obdachlosigkeit dauerhaft zu beenden. Das liege daran, dass Housing-First-Nutzende Hilfe ohne Bedingungen angeboten bekommen. Die Unterstützung erfolge ohne Druck und Zwang, sagt der Sprecher des Housing First Bundesverbands.
"Die Hilfe, die wir anbieten, diese Unterstützung, Begleitung, Betreuung, das funktioniert alles ohne Zwang und Druck."
Die Teilnehmenden dürfen selbst entscheiden, ob sie die Angebote annehmen. In Deutschland haben die meisten Obdachlosen Anspruch auf Sozialleistungen. Sie können beantragen, dass das Jobcenter die Miete übernimmt. Bei den Anträgen helfen Träger von Housing-First-Projekten.
"Es gibt Städte, in denen Housing-First-Träger Wohnungen kaufen. Sie sind dann selbst Vermietende. In Berlin wird zum Beispiel versucht, auch 'reguläre' vermietende Personen davon zu überzeugen, ihre Wohnung als Housing-First-Wohnung zu vermieten."
Momentan laufen Housing-First-Projekte in einigen größeren Städten in Nordrhein-Westfalen, in Hamburg, Frankfurt am Main und Berlin über einzelne Projektträger. Flächendeckend muss sich der Ansatz in Deutschland erst noch etablieren. Die Bundesregierung hat Housing First jedenfalls im Blick. Das Land Berlin will es perspektivisch auch in die regulären Hilfsangebote integrieren.
Allerdings braucht es dafür überhaupt erst einmal ausreichend bezahlbaren Wohnraum – und an dem fehlt es ja bekanntermaßen.