Alissa* wächst in der Sowjetunion auf. Mit 12 kommen sie und ihre Mutter nach Deutschland – als jüdische Kontingentflüchtlinge. Alissas Judentum spielt jahrelang keine Rolle für sie, bis sie zum Geburtstag mit Mitte 20 ein Album voll alter Familienfotos geschenkt bekommt.

Das Album ist schwer und hat einen ledernen Einband mit ägyptischen Figuren drauf. Darin findet Alissa* dann ein altes Familienfoto, darauf zu sehen drei Generationen ihrer Familie, unter anderem auch ihre Urgroßmutter. Sie schaut sich die Bilder an und merkt, dass diese Menschen irgendwie zu ihr gehören, sie aber gleichzeitig gar nichts über ihre Familie weiß.

"Das sind meine Wurzeln, das sind die Menschen, von denen ich abstamme. Und ich frage mich, wie es sein kann, dass ich nichts über sie weiß."
Alissa ist traurig und schämt sich, dass sie so wenig über ihre Familiengeschichte weiß

Sie fängt an über ihre Familie zu recherchieren, findet in St. Petersburg das Grab ihres Urururgroßvaters auf einem jüdischen Friedhof. Irgendwann erfährt Alissa, dass ein Teil ihrer Familie mittlerweile in Israel lebt und fährt sie besuchen.

"Da gab es viele säkulare Jüdinnen und Juden, bei denen das Jüdischsein gar keine Rolle spielt. Aber dann waren wir auch in Jerusalem und haben auch orthodoxe Juden gesehen. Und ich habe mich da fast noch gar nicht getraut zu sagen, dass ich selbst jüdisch bin."
Alissa setzt sich mit ihrem Jüdischsein auseinander

Was kann Jüdischsein alles bedeuten?

In der Sowjetunion hat Alissas Familie ihr Jüdischsein verschwiegen – aus Angst vor Unterdrückung und Diskriminierung. In den 80er und 90er Jahren erstarkten in der Sowjetunion rechtsradikale und antisemitische Kräfte. Nach Deutschland konnten Alissa und ihre Mutter dann zwar als jüdische Kontingentflüchtlinge einreisen, die jüdische Identität spielte für die Familie trotzdem viele Jahre keine Rolle.

Bis Alissa rausfinden will, was das eigentlich für sie persönlich bedeutet: Jüdischsein. Ist es die Religion? Sind es bestimmte Rituale? Oder ist Jüdischsein einfach eine Kultur, eine bestimmte Art zu leben?

Sie geht zum ersten Mal in die Synagoge und fühlt sich verloren. Dann sucht sie Kontakt zu anderen Jüdinnen. Alissa feiert Schabbat und versteht: Sie muss selbst entscheiden, was ihre jüdische Identität ausmacht.

"Wenn man mich fragt, was für mich Jüdischsein bedeutet, dann ist es Community. Es ist wie eine größere Familie."
Alissa über das Jüdischsein

Mittlerweile engagiert Alissa sich bei dem Projekt "Meet a Jew", spricht mit Kindern und Jugendlichen in Schulen darüber, was Jüdischsein alles ausmacht.

Die ganze Geschichte hört ihr hier oder im Podcast.

*Name von der Redaktion geändert

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Shownotes
Identität
Alissa traut sich endlich jüdisch zu sein
vom 01. September 2023