Das Thema Impfen macht uns alle etwas müde mittlerweile – und meist denken wir dabei direkt an Corona. Aber es gibt auch noch andere Impfungen, die wichtig sind: Auch die gegen Grippe kann für junge Menschen sinnvoll sein. Die Nova-Community hat Fragen dazu gestellt - wir haben sie für euch geklärt.

Viele von euch grübeln gerade zum Beispiel, ob sie sich gegen Grippe impfen lassen sollten oder nicht, wann sie das tun sollten und ob sich das überhaupt mit der Corona-Immunisierung verträgt.

Ihr habt uns eure Fragen geschickt, wir haben sie mit einem Experten besprochen: Mathias Pletz, Direktor der Infektionsmedizin und Krankenhaushygiene am Universitätsklinikum Jena und Mitglied des Expertenbeirates Influenza des Robert-Koch-Instituts. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten:

Ab welchem Alter ist die Grippeimpfung empfohlen?

Eigentlich ist die Grippeschutzimpfung für alle Menschen über 60 Jahren empfohlen, erklärt Mathias Pletz, für alle Menschen mit Begleiterkrankungen und solche, die mit vielen anderen Menschen zu tun haben - Personal in der Gastronomie zum Beispiel. Der Mediziner rät allerdings jedem zum Impfen. Viele Krankenkassen übernähmen die Impfung auch bei jungen Menschen.

"Aus meiner Sicht lohnt sich die Grippeimpfung für jeden, denn man kann der Grippe – wie auch Sars-CoV-2 – nur bedingt ausweichen."
Mathias Pletz, Infektionsmediziner

Er weist allerdings auch auf eine Besonderheit derzeit hin: Weil die AHA-Maßnahmen gegen Corona auch gegen Grippe extrem wirksam seien, sei die Grippe seit zwei Jahren nahezu komplett vom Globus verschwunden. Ob es diese Saison eine Influenza-Welle geben wird, ließe sich aber vorab nicht sagen.

Wird die Grippeimpfung wegen Corona auch für Personen ohne besonderes Risiko empfohlen?

Derzeit ist sie auch diesen Personen zu empfehlen, meint Mathias Pletz. Unter Medizinerinnen und Medizinern bestünde nämlich große Sorge, dass eine Grippe- mit einer Corona-Welle zusammenkommen könnte – beide Krankheiten tauchen im Winter saisonal stärker auf.

Bei einer Doppelwelle wäre die Belastung für das Gesundheitswesen enorm hoch. Zudem beobachte man auch bei jungen und gesunden Menschen schwere Grippeverläufe.

Wovor genau schütz der Grippeimpfstoff?

Die Grippe wird von verschiedenen Arten von Erregern verursacht, so der Infektiologe. Lange Zeit waren für den Menschen vor allem zwei Influenza-A-Virusstämme und ein Influenza-B-Virusstamm relevant. Der B-Virusstamm hat sich aber aufgeteilt. Seit der Saison 2017/2018 würden in Deutschland daher fast nur noch Vierfach-Influenza-Impfstoffe verimpft, die gegen alle vier vorkommenden Typen helfen sollen, also gegen zwei Mal A und zwei Mal B.

Bis wann sollte man sich gegen Grippe impfen lassen?

Traditionell hieß es immer, man solle sich im Oktober impfen lassen, sagt Mathias Pletz. Allerdings mache auch das Robert-Koch-Institut klar, dass eine Grippeimpfung während der ganzen Saison nützlich ist. Pletz sieht das genauso: Auch wenn die Welle schon da ist, könnt ihr euch noch impfen lassen, meint er – und wenn es erst im Februar ist. Nach einer Impfung dauert es bis zu zwei Wochen, bis der volle Impfschutz aufgebaut ist.

Kann eine Grippeimpfung schädlich sein, wenn man zu viele Impfungen macht?

Nein, beruhigt Mathias Pletz, Grippeimpfung parallel zu anderen Impfungen ist nicht schädlich. Einschränkend müsse man nur sagen, dass etwa bei Kindern, die schon auch mal Sechsfach-Impfstoffe verabreicht bekommen, die Impfantwort gegen einzelne Erreger etwas schwächer ausfallen könne. Aber dem Organismus schadeten mehrfache Impfungen nicht.

"Man kann nicht überimpfen."
Mathias Pletz, Infektionsmediziner

Sollte man zwischen Corona- und Grippeimpfung warten? Und wenn ja wie lange?

Das ist bei Grippeimpfung nicht erforderlich, sagt der Mediziner, Abstände sind nur bei Lebendimpfstoffen relevant. Corona-Impfstoffe sind zwar neue Plattformen, so erklärt er weiter, aber es sind sogenannte Totimpfstoffe, es entsteht kein vermehrungsfähiges Virus. Und Grippeimpfung sei ebenfalls Totimpfstoff. Die beiden Impfungen könne man daher sogar gemeinsam geben.

Die regelmäßige Anpassung des Grippeimpfstoffs basiert ja auf einer Vermutung, welcher Stamm sich durchsetzen könnte. Was, wenn die Vermutung nicht gut ist dieses Jahr?

Tatsächlich wüsste man vorher nicht, ob die Impfviren, die in den aktuellen Impfstoffen enthalten sind, zu einer sich gerade aufbauenden Grippewelle passen, so Mathias Pletz. Allerdings bringt jede Impfung etwas, ergänzt er, selbst wenn die Viren etwas anders sind. Denn: Das Immunsystem reagiere nicht entweder mit einer Immunantwort oder mit keiner. Vielmehr sei es durch die Impfung in der Lage, mit Viren besser umzugehen, auch wenn die dann etwas anders aussehen.

"Jede Impfung, selbst wenn der Erreger nicht sonderlich gut passt, hinterlässt einen Teilschutz."
Mathias Pletz, Infektionsmediziner

Die Wirksamkeit eines Antikörpers ist nämlich durch zwei Faktoren bestimmt, erklärt der Infektiologe: die Höhe des Antikörperspiegels, die durch die Impfung zunimmt, und die Passfähigkeit. Und wenn die Passfähigkeit etwa schlechter sei, dann ließe sich das mit einem hohen Antikörperspiegel kompensieren. Außerdem hätten wir noch eine zelluläre Abwehr – Stichwort T-Zellen –, und diese T-Zellen-Immunität scheine robuster zu sein als die Antikörper.

Es besteht also zumindest ein Teilschutz, erklärt er. Der verhindere dann zwar nicht unbedingt die Krankheit, könne aber schwere Verläufe verhindern – so ähnlich wie bei den aktuellen Corona-Impfungen und Omikron.

Shownotes
Ihr fragt, wir antworten
Das Wichtigste zur Grippeimpfung
vom 18. Dezember 2021
Moderation: 
Ralph Günther
Gesprächspartner: 
Mathias Pletz, Direktor der Infektionsmedizin und Krankenhaushygiene am Universitätsklinikum Jena