Die Friseursalons sind zu, doch die Haare wachsen. Viele Friseurinnen
werden jetzt gefragt, ob sie nicht eben mal vorbei kommen könnten, um die Haare zu scheiden. Und manche tun es, trotz Verbot - auch weil sie auf das Geld angewiesen sind. Unser Korrespondent Johannes Kulms hat sich in der Friseurbranche umgehört.

Mitte Dezember 2020 mussten viele Lokale und Geschäfte wegen des verschärften Lockdowns schließen. Friseursalons auch. Seitdem klingelt bei Antje das Telefon. Sie ist Friseurin in einem Salon in Schleswig-Holstein. Dort arbeiten darf sie wegen der Corona-Vorschrift zur Zeit nicht.

Hausbesuche für Haarschnitte anfragen

Manche Kundinnen und Kunden bitten Antje trotzdem um einen Haarschnitt. In den letzten Wochen hat sie rund zwanzig Nachrichten bekommen, erzählt sie. Alle wollten wissen, ob sie nicht zum Haareschneiden nach Hause kommen könnte. Teilweise erhielt sie Anrufe auf ihre private Nummer von Menschen, die sie nicht kennt.

Für Antje ist klar: Sie schneidet niemanden heimlich und illegal die Haare und verweist auf die Infektionsgefahr. Denn: Auch Hausbesuche sind derzeit für Friseure verboten.

"Die Leute werden sehr erfinderisch, um meine Nummer zu bekommen. Und wenn dann vielleicht doch irgendjemand die Nummer hat, dann wird die weitergegeben."
Antje, Friseurin aus Schleswig-Holstein

Trotzdem nehmen die Anfragen von Kundinnen und Kunden zu. Das beobachtet auch die Friseur- und Kosmetikinnung in Kiel. Hartmut Klotz ist selbst Friseur und Obermeister der Kieler Innung. Er schätzt, dass gerade etwa ein Drittel aller Beschäftigten illegal weiter Haare schneidet.

"Ich weiß, dass die Mitarbeiter gut vernetzt sind. Und wenn der eine oder andere dann sagt, 'Ich war jetzt unterwegs', dass dann auch die Überlegung bei dem nächsten stattfindet."
Hartmut Klotz, Friseur und Obermeister der Friseur- und Kosmetikinnung Kiel

Konkrete Zahlen gibt es keine. Der Zentralverband des Deutschen Friseurhandwerks meint allerdings, die unerlaubte Arbeit habe momentan ein Ausmaß erreicht, das die Politik zum Nachdenken bewegen sollte.

Wenig Einkommen, viele illegale Aufträge

Dass sich manche ihrer Kolleginnen und Kollegen doch auf einen Hausbesuch einlassen, erklärt sich Antje mit einem Gefühl der Verzweiflung seitens der Friseure. Die Zeit mit Kurzarbeitergeld eines ohnehin oft niedrigen Friseurgehalts zu überbrücken, sei für manche nur schwer machbar.

Arbeiten auf Vertrauensbasis

Bei Friseurin Lisa, die auch in Schleswig-Holstein arbeitet, ist das zum Beispiel der Fall. Ihren Namen haben wir geändert, weil sie unentdeckt bleiben möchte. Denn: Lisa ist zwei bis drei Mal in der Woche auf Hausbesuch bei Kunden, die sich einen Haarschnitt vom Profi wünschen. Sie nimmt die illegalen Aufträge an, weil sie mit dem Kurzarbeitergeld kaum über die Runden kommt, sagt sie.

Würde sie erwischt, droht Lisa in Schleswig-Holstein ein Bußgeld zwischen 500 und 2000 Euro. In anderen Bundesländern ist es noch höher. Sie vertraut daher auf die Verschwiegenheit ihrer Kunden.

Maske bleibt weg

Den Mund-Nasen-Schutz lässt sie bei den Hausbesuchen weg. Ihre Kundinnen und Kunden auch. Die Stimmung bei den illegalen Haarschneidesitzungen beschreibt sie als ausgelassen.

Ihr ist bewusst, dass sie so auch das Risiko einer Coronavirus-Infektion eingeht oder andere anstecken könnte. Ein schlechtes Gewissen habe sie aber nicht. Jede und jeder ist für sich selbst verantwortlich, sagt sie. Solange sie angefragt wird, werde sie auch arbeiten.

"Im Enddefekt muss jeder irgendwie sehen, wo er bleibt. Ich kriege keinerlei Unterstützung oder so. Und ich bin ich froh, mal zu Hause rauszukommen."
Friseurin Lisa (Name geändert) arbeitet illegal weiter

So nachvollziehbar das auch ist - Wirtschaftswissenschaftler wie Christian Traxler sehen die zunehmende Schwarzarbeit als Problem: Unserem Sozialsystem, in dem Arbeit besteuert und Sozialabgaben geleistet werden, tue das nicht gut. Schwarzarbeit sei schlicht Steuerhinterziehung, sagt er.

Shownotes
Illegale Hausbesuche
Wenn Friseure trotz Verbot arbeiten
vom 04. Februar 2021
Moderatorin: 
Jenni Gärtner
Autor: 
Johannes Kulms, Dlf-Korrespondent in Schleswig-Holstein