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Warum wenden sich junge Menschen rechtsextremen Szenen zu? Was kann Jugend- und Bildungsarbeit leisten? Die Erziehungswissenschaftlerin Heike Radvan gibt einen Überblick über den Forschungsstand.

"Zuerst einmal müssen die Ausländer weg": Heike Radvan zitiert zu Beginn ihres Vortrages diesen Satz, den die damals 17-jährige Beate Zschäpe in einem Jugendtreff gesagt haben soll: Der damalige Sozialarbeiter im Jugendclub fragt sich, ob er es hätte verhindern können, dass die Jugendliche später zur NSU-Terroristin wird, zur Mittäterin bei zehn Morden.

"Welches Wissen und welche professionsethische Haltung benötigen Pädagog*innen, um Hinwendungsprozesse in rechte Szenen wahrzunehmen?"
Heike Radvan, Erziehungswissenschaftlerin, Universität Tübingen

Kann Bildungsarbeit rechtsextreme Entwicklungen bei Jugendlichen verhindern? Und falls ja, wie? In welchem Umfeld? Laut Heike Radvan beklagen Pädagoginnen und Pädagogen, dass ihre Profession zu oft als "Feuerwehr" verstanden wird – also als Brandlöscher, wenn Jugendliche bereits tief in rechtsextreme Weltanschauungen eingestiegen sind.

Die Erziehungswissenschaftlerin und Rechtsextremismusforscherin stellt in ihrem Vortrag unterschiedliche Erklärungsansätze für die Hinwendung zu rechtsextremen Haltungen vor und fragt nach den Konsequenzen für eine präventive Jugendarbeit.

Sie schildert das Konzept der akzeptierenden Jugendarbeit, das der Erziehungswissenschaftler Hans Josef Krafeld Anfang der 1990er-Jahre in Bremen im Umgang mit rechtsextremen Jugendgruppen entwickelte.

Abkehr von der akzeptierenden Jugendarbeit

Schon Ende der 1990er-Jahre wurde dieses Konzept für den Umgang mit rechtsextremen Jugendlichen allerdings verworfen. Die Idee, sich mit den Problemen, die sie hatten – und nicht mit den Problemen, die sie sich machten – auseinanderzusetzen, scheiterte.

"Politische Überzeugungen sind lebensweltlich erlernt und habituell eingekörpert."
Heike Radvan, Erziehungswissenschaftlerin, Universität Tübingen

Die Vorstellung, dass die ökonomische Situation ausschlaggebend für die Entwicklung einer Gesinnung ist, verwirft die Forscherin. Demnach wenden sich sowohl Modernisierungsgewinner als auch Modernisierungsverlierer rechtsextremen Ideologien zu.

Indizien gibt dagegen die sozialpsychologische Forschung.

Autorität und Extremismus

Laut Heike Radvan gibt es einen Zusammenhang zwischen autoritärer Sozialisation und eigenem autoritären Denken. Die Bindungsqualität zwischen Eltern und Kind könne zwar nicht alles erklären – aber Auswirkungen haben.

"Ein wenig verlässlicher oder konflikthafter, von Gewalt und Disziplinierung geprägter Erziehungsstil kann dazu beitragen, dass sich Kinder im Sinne einer autoritären Persönlichkeit entwickeln und extrem rechten Gruppierungen zuwenden."
Heike Radvan, Erziehungswissenschaftlerin, Universität Tübingen

Insgesamt, so ihre Forderung, brauche es mehr Forschung zu den sogenannte Hinwendungs-Motiven.

Heike Radvan ist Erziehungswissenschaftlerin und Rechtsextremismusforscherin am Institut für Rechtsextremismusforschung der Eberhard Karls Universität Tübingen. Dort hat sie die Professur für Rechtsextremismusforschung mit dem Schwerpunkt Politische und kulturelle Bildung inne.

Ihren Vortrag mit dem Titel "Erklärungsansätze für das Entstehen extrem rechter Orientierungen. Antworten (und Begrenzungen) der politischen Bildungsarbeit" hat sie am 15. Januar 2025 im Rahmen der Reihe "Rechtsextremismus: Erforschen und Entgegentreten" in Tübingen gehalten.

Shownotes
Was Jugendarbeit kann und was nicht
Im Jugendclub mit Beate Zschäpe
vom 14. Februar 2025
Moderation: 
Katja Weber
Vortragende: 
Heike Radvan, Erziehungswissenschaftlerin, Universität Tübingen
  • Beginn des Votrags
  • Grundsätzliche Überlegungen
  • Verschiedene Erklärungsansätze und Theorien
  • Geschlechterreflektierende Perspektiven
  • Konsequenzen für Präventions- und Bildungsarbeit
  • Fazit
Quellen aus der Folge: