Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs hat der Rechtsextremismus in der Bundesrepublik unterschiedliche Formen angenommen. Antisemitismus und Gewalt spielten dabei immer eine zentrale Rolle. Ein Vortrag des Historikers Niklas Krawinkel.
Die Entwicklung rechtsextremer Gruppen und Ideologien in der Bundesrepublik Deutschland wurde von unterschiedlichen Themen und Einflüssen geprägt. Es gibt jedoch zwei Phänomen, die durchgängig zu beobachten sind: Antisemitismus und Gewalt. Das sagt Niklas Krawinkel. Er ist Historiker und forscht zur Geschichte des Rechtsextremismus in der Bundesrepublik seit 1945.
"Antisemitismus ist ebenso wie Gewalt ein durchgängig zu beobachtendes Phänomen, wenn man die Geschichte der extremen Rechten in den Blick nimmt."
In den 1950er-Jahren gab es in der Bundesrepublik eine Art "Gärungsprozess" in extrem rechten Jugendbünden, erzählt Krawinkel. Zum Jahreswechsel 1960 mündete das in die sogenannte "Hakenkreuz Schmierwelle". In der Nacht vom 24. auf den 25. Dezember 1959 beschmierten Rechtsextreme die Kölner Synagoge mit Hakenkreuzen (zu sehen in unserem Artikelbild). Das, so Krawinkel, habe zum ersten Mal zu größerer Aufmerksamkeit für die Aktivitäten extrem rechter Jugendlicher geführt. Dennoch wurden diese rechtsextremen Aktivitäten bagatellisiert und überwiegend als "Dummejungenstreiche" abgetan.
"Aus einem Konglomerat aus NPD-Anhängern, Wehrsportgruppenaktivisten und Neonazi-Kadergruppen entstanden Ende der 1970er-Jahre erstmals Ansätze einer spezifischen, extrem rechten Jugendkultur, die sich in den 1980er-Jahren mit der Subkultur der Skinheads verband."
In seinem Vortrag schildert Krawinkel, wie sich rechte Gewalt in der Bundesrepublik fortsetzte. In den 1970er-Jahren entstanden erstmals Ansätze einer spezifisch rechten Jugendkultur, die sich in den 1980er-Jahren mit der Skinhead-Kultur verband und neue, oft spontane Formen von rassistischer Gewalt ausübte.
"Das Thema Zuwanderung rückte ab 1980, und zwar erst um 1980, in eine zentrale Position im Diskurs der extremen Rechten in der Bundesrepublik."
Ab 1980 spielte dann erstmals das Thema Zuwanderung eine zentrale Rolle im rechtsextremen Diskurs. Doch nicht nur dort, auch in der allgemeinen gesellschaftlichen Debatte fand das Thema Zuwanderung größere Aufmerksamkeit.
Welle rechter Gewalt in den 1990er-Jahren
In den 1990er-Jahren gab es eine Welle rechtsextremer Gewalt, die sich gegen Migrant*innen richtete und auch gegen Wohnungslose, Menschen mit Behinderungen, Sinti und Roma, Jüdinnen und Juden. In den 1990er-Jahren wurde eine sogenannte "akzeptierende" Jugendarbeit betrieben. Die Idee war, rechtsextreme Jugendliche nicht völlig in die Arme rechtsextremer Akteure zu treiben.
Doch dieses Konzept führte dazu, dass rechtsextreme Jugendorganisationen wie die neonazistische Wiking-Jugend, Veranstaltungen in staatlich geförderten Jugendclubs abhalten konnten, die dadurch für viele andere, nicht rechtsextreme Jugendliche zu No-Go Areas wurden.
Niklas Krawinkel ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für die Erforschung und Geschichte des Holocaust an der Goethe-Universität Frankfurt am Main und Mitarbeiter am Fritz-Bauer-Institut. Sein Vortrag hat den Titel "Politik und Gewalt. Zur Geschichte der extremen Rechten in der Bundesrepublik". Er hat ihn am 30. Oktober 2024 in Tübingen gehalten im Rahmen der Ringvorlesung "Studium Generale: Rechtsextremismus. Erforschen und Entgegentreten". Organisiert hat diese Vorlesungsreihe das Institut für Rechtsextremismusforschung IRex an der Eberhard Karls Universität Tübingen.