Nach einer Fehlgeburt leiden die betroffenen Frauen oft sowohl psychisch als auch physisch. Doch ein Recht auf Mutterschutz wird selten gewährt, weil es an bestimmte Bedingungen geknüpft ist. Der Verein "Feministische Innenpolitik" fordert eine Gesetzesänderung.
2019 erleidet Natascha Sagorski in der zehnten Schwangerschaftswoche eine Fehlgeburt. Für viele ist ein plötzliches und vorzeitiges Ende der Schwangerschaft ein Schock. Oft dauert es lange, bis er verarbeitet ist. Manchen Frauen helfen bestimmte Rituale dabei, den Verlust zu verarbeiten: Sie gestalten ein kleines Grab, kaufen sich ein Schmuckstück, das an das ungeborene Kind erinnert oder vernetzen sich mit anderen, die Ähnliches erlebt haben im Internet. Es gibt viele Seiten, auf denen der sogenannten "Sternenkinder" gedacht wird.
Nach der Fehlgeburt zurück zum Job?
Natascha war ziemlich erstaunt, als ihr die Krankenhausärztin nach der Ausschabung sagte, dass sie am nächsten Tag wieder arbeiten gehen könne. Eine Krankschreibung brauche sie nicht. Diese Aussage überraschte Natascha zwar, aber sie nahm an, dass sie einfach an eine unsensible Ärztin geraten und es lediglich Pech sei, dass sie nicht krankgeschrieben wurde.
"Aktuell bekommt eine Frau nach einer Fehlgeburt keinen Mutterschutz, sondern erst nach einer Totgeburt, das heißt, ab der 24. Schwangerschaftswoche. Oder wenn das Kind mehr als 500 Gramm gewogen oder kurz geatmet hat."
Dass es sich dabei tatsächlich um ein strukturelles Problem handelt, stellt Natascha Sagorski erst später fest, als sie Frauen für ihr Buch "Jede dritte Frau" interviewt. Und zwar Frauen, die wie sie selbst eine Fehlgeburt erlitten haben. Viele dieser Betroffenen berichten ihr, dass sie keinen Anspruch auf Mutterschutz hatten. Denn dieser ist an sehr klar definierte Bedingungen geknüpft.
Mutterschutz wird erst gewährt:
- ab der 24. Schwangerschaftswoche
- wenn der Fötus mehr als 500 Gramm wiegt
- oder kurz geatmet hat
Für Natascha Sagorski sind das sehr willkürlich gesetzte Grenzen, die beispielsweise darüber entscheiden, ob eine Patientin 18 Wochen Mutterschutz erhält oder noch nicht einmal einen Tag lang krankgeschrieben wird.
Sagorski: Mutterschutzgesetz ist nicht verfassungskonform
Die eigenen Erfahrungen und die anderer Frauen haben Natascha Sagroski davon überzeugt, dass sich etwas ändern müsse. Aus ihrer Sicht ist das aktuelle Mutterschutzgesetz verfassungswidrig.
Natascha verweist auf Artikel 6, Absatz 4 des Grundgesetzes, der jeder Mutter den Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft zuspricht.
Das Bundesverfassungsgericht hat bereits 2015 festgelegt, dass diese Regelung auch für werdende Mütter gilt. Mit dem Verein "Feministische Innenpolitik" hat Natascha Sagorski daher eine Petition aufgesetzt, um diese Diskrepanz aufzulösen und einen gestaffelten Mutterschutz zu erwirken.
"Wir wünschen uns einen sich langsam aufbauenden Mutterschutz, der quasi gemeinsam mit den Schwangerschaftswochen mitwächst."
Vom Familienausschuss des Bundestages wird Natascha Sagorski aufgrund der Petition ihres Vereins nun gehört. Schon diesen Umstand findet sie sehr wichtig, weil das Thema in der Politik bisher kaum vorkommt. Auch die Tatsache, dass es keine Erhebungen und somit keine genauen Zahlen zu Fehlgeburten in Deutschland gibt, ist für Natascha Sagorski nicht nachvollziehbar. Eine Statistik zu Lebend- und Totgeburten gibt es wiederum schon.
Gemeinsam mit anderen Sachverständigen Gehör im Bundestag zu erhalten, ist für Natascha Sagorski in diesem Sinne ein erster Schritt, damit sich etwas ändern kann.