Die Kabarettistin Idil Baydar wird von Rechtsextremen angefeindet und sogar mit dem Tod bedroht. Persönliche Daten von ihr wurden aus einem hessischem Polizeicomputer abgefragt. Das Vertrauen in die Behörde habe Idil Baydar schon lange verloren, sagt sie. Die Polizei müsse das Problem des strukturellen Rassismus endlich benennen und lösen.
Als Kabarettistin schlüpft Idil Baydar in verschiedene Rollen. Ein zentrales Thema ihrer Kunstfiguren ist dabei häufig Rassismus und die Diskriminierung von Migrantinnen und Migranten.
Wie gefährlich es sein kann, sich offen gegen Rechtsextremismus zu äußern, muss Idil Baydar gerade wieder am eigenen Leib erfahren. Die Kabarettistin wird regelmäßig mit Schmäh- und Drohschreiben überzogen, erzählt sie. Nun ist auch ein Schreiben mit Todesdrohungen darunter – unterzeichnet mit dem Kürzel "NSU 2.0".
"Ich werde eher wütend, das ist so meine erste Reaktion. Aber natürlich begründet sich das in Angst, ganz klar."
"Verlassen Sie das Land!" – An solche Beschimpfungen sei sie schon lange gewöhnt, damit könne sie umgehen. Doch es gibt Grenzen, die überschritten werden, sagt Idil Baydar – und zwar dann, wenn sie oder Familienangehörige mit Mord bedroht werden. Die Kabarettistin fühlt Irritation, Wut und Angst.
Kein Vertrauen mehr in die Polizei
Das Vertrauen in die Arbeit der Polizei hat sie schon lange verloren, erzählt sie. Beschützt fühle sie sich nicht – im Gegenteil: Die Strukturen der Behörde würden genutzt, Migranten eben nicht zu schützen.
Verstärkt werde ihr Gefühl auch durch Gespräche mit Migrantinnen und Migranten – und durch die Diskussionen um Racial Profiling und die sogenannte Stammbaumrecherche. Außerdem, so Idil Baydar weiter, habe sie acht Anzeigen gemacht, die aber allesamt eingestellt wurden.
"Ich habe nicht den Eindruck, dass ich als Migrant besonders geschützt werde."
Genauso wie bei der Frankfurter NSU-Opferanwältin Seda Başay-Yıldız und der Linken-Politikerin Janine Wissler wurden auch im Fall von Idil Baydar persönliche Daten von einem Polizeicomputer in Hessen abgefragt.
Jetzt gibt es deshalb auch personelle Konsequenzen, denn Hinweise auf die unerlaubten Datenabfragen gab es schon im März, allerdings hatte der hessische Polizeipräsident Udo Münch diese nicht an den hessischen Innenminister Peter Beuth weitergeleitet. Der Polizeipräsident wurde heute nun in den einstweiligen Ruhestand versetzt.
Das ändert nichts daran, das Idil Baydar bedroht wird. "Schwer einzuordnen und irritierend" findet die Kabarettistin den Daten-Vorfall. Sie weiß zu wenig darüber, räumt sie ein, aber natürlich kämen bei ihr Fragen auf wie: "Sind es Polizisten, die mich bedrohen?"
Mittlerweile sei sie an einem Punkt, an dem sie fast mehr Angst habe vor der Polizei – vor allem vor Neonazis, die sie in der Polizei vermutet. "Ist das jetzt ein Rassist? Dreht der durch? Knallt der mich jetzt ab? Bin ich die nächste?" – solche quälenden Fragen habe sie im Kopf, aber: "Ich kann gar nichts machen. Und ich weiß, die Polizei macht’s auch nicht. Jedenfalls nicht für mich."
"Ich kann gar nichts machen. Und ich weiß, die Polizei macht's auch nicht."
Von der Polizei verlangt Idil Baydar, dass sie endlich anfangen solle, transparent zu kommunizieren und strukturellen Rassismus in der Behörde zuzugeben. Die Behörde müsse den Eindruck vermitteln, das Problem mit rechten Strukturen auch in den Griff kriegen zu wollen. Nur so könne langsam wieder Vertrauen hergestellt werden.
Es könne nicht sein, dass Rassisten und Neonazis bei der Behörde arbeiteten und in Machtpositionen gelangten. Darum müsse sich die Behörde dringend kümmern: "Das ist jämmerlich, dass die Polizei sich da so drückt, und leugnet und wegduckt."
+++ Aktuelles zum Datenskandal der Hessischen Polizei +++
In der Affäre in Hessen um rechtsextremistische Drohmails gibt es die erste personelle Konsequenz: Hessens Landespolizeipräsident Münch trat zurück und wurde vom hessischen Innenminister Beuth in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Wir haben mit Ludgker Fittkau, unserem Korrespondenten in Hessen, über die aktuellen Ereignisse gesprochen und wollten unter anderem auch wissen, wie groß das Außmaß des Problems ist. Das ganze Gespräch ist als Audio im Zitat hörbar – einfach auf Play klicken.
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