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Telefonieren hat uns jahrelang genervt. Während Corona scheint der Griff zum Hörer genau das Gegenteil in uns auszulösen. Wir entspannen plötzlich.

Wer kennt es nicht? Das Telefon ringt, surrt oder scheppert und wir zucken innerlich zusammen. Es passt halt meistens nicht. Wir haben Besseres zu tun. Zum Beispiel Arbeit, Einkauf, Date, Sport, Essen, Autofahrt, Kino oder Schlafen. Und das geht nun mal rund um die Uhr so. Genaugenommen passt es also nie so wirklich. Vor allem, weil wir nicht abschätzen können, wie lange unser Gegenüber uns an der Strippe halten will. Durch die Corona-Pandemie hat sich das geändert. Unser Verhältnis zum Telefon ist in der Isolationszeit intimer und entspannter. Selbst aus Telefonhassern werden eifrige Plaudertaschen.

So hat es auch die Journalistin und Autorin Carolin Würfel erlebt. Carolin lebt in Berlin und hatte ihr Festnetztelefon schon längst ausgestöpselt. Durch die zahlreichen Gespräche auf der Arbeit und in den sozialen Medien fühlte sich sie sich ohnehin schon gestresst. Ein klingelndes Telefon hatte da erst recht keine Chance. Auch den Anruf von Ab21-Moderator Utz Dräger hätte sie wahrscheinlich nicht beantwortet.

"Wahrscheinlich wäre ich damals nicht rangegangen."
Carolin Würfel, Journalistin

Wenn Carolin dann doch mal rangegangen ist, hat sie das Gespräch zum Beispiel in der U-Bahn geführt. Wenn sie dann in ein Funkloch kam, war für den anderen klar, dass das Gespräch beendet wird.

In der Isolation hat sie wieder mehr Lust aufs Telefonieren bekommen. Laut Carolin haben wir plötzlich mehr Zeit für das Innere. Es wird einem klar, wer eigentlich zum inneren Kreis gehört und zu welchen Leuten man vielleicht doch den Kontakt halten möchte.

Das Verhältnis zu ihrer Mutter hat sie durch das Telefonieren etwa gestärkt. Die beiden verabreden sich jetzt häufiger, um zu telefonieren. "Wir nehmen beide unsere Handys mit und gehen draußen laufen." Und zu Hause?

"Ich fange meistens sitzend an und fange dann an, durch die Wohnung zu wandern oder mir einen Tee zu machen."
Carolin Würfel, Journalistin

Plaudern in der Endlosschleife

Carolin hat außerdem das Gefühl, dass sie aktuell keine bestimmten Erwartungen beim Telefonieren erfüllen muss. "Wenn es kein Ziel gibt, kann man über Dinge reden, die völlig banal sind." Man lebt und telefoniert im Hier und Jetzt. Man redet über Shampoo, Kochrezepte und zu viel Salz im Essen.

Man fängt Gespräche auch einfach noch mal von vorne an, obwohl das Thema längst beendet ist. So dauern Carolins Gespräche oft eine oder sogar zwei Stunden. "Der Trick ist, das Telefon einfach in die Hand zu nehmen und anzurufen." Am besten bei jemanden, mit dem es einem leicht fällt, zu reden. Wer partout nicht telefonieren will, könnte laut Carolin auch einfach wieder anfangen, Briefe zu schreiben. "Die könnten auch ein Comeback haben!"

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Shownotes
Carolin über Telefonieren während Corona
"Wahrscheinlich wäre ich früher nicht rangegangen"
vom 23. April 2020
Moderator: 
Utz Dräger
Gesprächsgast: 
Carolin Würfel, Journalistin