Deutschland, Nation der Funktionsjacke? Die Journalistin Quynh Tran meint: Das Modeverständnis der Deutschen ist auch im Jahr 2019 ziemlich unbedarft, und das nicht ohne Grund. Hoffnung gibt es aber trotzdem.
"Die deutsche Modelandschaft ist eine große, weite Öde aus Ahnungslosigkeit, Ignoranz und Verleugnung." So beschreibt Quynh Tran das Verhältnis der Deutschen zu Stil in einem Text für das Buch "Kein schöner Land – Angriff der Acht auf die deutsche Gegenwart". Das tut die Journalistin nicht ohne Grund: Im Vergleich zu Ländern wie Frankreich und Italien hinken wir, was Fashion angeht, sowohl kulturell als auch wirtschaftlich hinterher.
Modisches Understatement in Deutschland ein Muss
Das hat eine lange Geschichte, erklärt die Autorin: Die deutsche Kultur ist geprägt vom Protestantismus, sprich von einer Wertschätzung des Schlichten und Sparsamen. Deswegen gäbe es auch keine "ästhetische Erziehung" in Deutschland, wie Quynh Tran sie nennt. Daraus habe sich eine allgemeine Skepsis gegenüber Menschen entwickelt, die sich modisch anziehen, meint Quynh Tran: "Wenn jemand gut gekleidet ist, dann wird er sehr schnell weniger ernst genommen, vor allem als Frau."
"Gerhard Schröder hat sich mal einen Brioni-Anzug geleistet und hat sich die Haare gefärbt – man hat sich darüber lustig gemacht!"
Frankreich und Italien dagegen wurden jahrhundertelang von der pompösen katholischen Ästhetik beeinflusst. In Frankreich etwa wird die Modeindustrie als Wirtschaftszweig viel ernster genommen – deshalb habe auch die Pariser Fashion Week einen viel höheren Stellenwert als ihr Berliner Pendant, sagt Quynh Tran.
"In Deutschland gibt es zwar eine Bekleidungsindustrie, aber die kann man nicht gleichsetzen mit der Modeindustrie, die es in Großbritannien, in Italien oder in Frankreich gibt."
Trotzdem glaubt Quynh Tran, dass sich besonders bei Millennials ein neues Stilverständnis entwickelt: "Jüngere Menschen sind im Vergleich zur Eltern-Generation viel auffälliger und auch hingebungsvoller gekleidet", so die Autorin.
Daraus entstehe langsam die Mentalität, dass man sich mit Mode mehr und mehr ausdrücken könne. Das mache auch die Tatsache leichter, dass Fashion viel zugängiger geworden sei, sagt Quynh: "Heutzutage ist es wahnsinnig leicht, sich gut zu kleiden, ohne viel Geld auszugeben."
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