Die Weimarer Verfassung war vor genau 100 Jahren die erste demokratische Verfassung Deutschlands. Doch sie scheiterte – und mit ihr die Demokratie. Heute haben wir eine stabile Verfassung, sagt Bundesjustizministerin Katarina Barley. Wir hätten aus der Geschichte gelernt. Mit Grundgesetzänderungen sollten wir zurückhaltend sein.
Das Grundgesetz ist die Verfassung Deutschlands. Die "beste Verfassung der Welt", behauptete einmal der Ex-Außenminister Hans-Dietrich Genscher in einer Talkrunde 2009. Ob das so stimmt? Jedenfalls sei unsere Verfassung sehr gut, meint Bundesjustizministerin Katarina Barley. Aus den Erfahrungen der Weimarer Zeit habe man gelernt. Das Grundgesetz wurde 8. Mai 1949 beschlossen. Es steht über allen anderen Gesetzen und hält die Grundrechte, die wichtigsten staatlichen Prinzipien und Werte, fest.
"Es ist eine sehr gute Verfassung. Sie hat sehr viel gelernt, aus den Erfahrungen der Weimarer Zeit, sich weiterentwickelt und insgesamt sehr bewährt."
Die Weimarer Verfassung von 1919 ist von Extremisten ausgehölt und missbraucht worden. Unsere Verfassung heute legt darum besonderen Wert darauf, dass das nicht noch einmal passiert.
Wichtig in diesem Zusammenhang ist vor allem die Rolle des Bundesverfassungsgerichts, betont Katarina Barley. Es prüfe die Verfassungsmäßigkeit der Gesetze: "In Weimar war ja der Gesetzgeber nicht der Bindung an die Verfassung unterworfen."
Das Bundesverfassungsgericht könne außerdem verfassungswidrige Parteien verbieten. "Das darf nicht politisch instrumentalisiert werden", sagt Katarina Barley. Um die Verfassung zu schützen, wurden außerdem bestimmte Elemente für unveränderbar erklärt, so die Justizministerin.
"Der Bund will in den sozialen Wohnungsbau Geld reinstecken – und dafür ändern wir das Grundgesetz mit Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat."
Ein eigenes Grundrecht für Kinder
Änderungen am Grundgesetz betrachtet Katarina Barley eher skeptisch. Nicht umsonst benötige man eine Zwei-Drittel-Mehrheit dafür, denn nur, wenn es einen großen Konsens gebe, dürfe man daran schrauben. Ein Thema, bei dem man aber darüber nachdenken könne, sei der soziale Wohnungsbau.
Ein weiteres Beispiel: Kinderrechte. "Die Bedeutung, die man den Rechten von Kindern zubilligt, ist in den letzten Jahrzehnten sehr stark gestiegen," so die Ministerin. "In den 50ern wurde in fast allen Schulen noch geprügelt und geschlagen". Darum solle es ein eigenes Grundrecht für Kinder geben. "Da sitzen wir im Moment dran und wollen in diesem Jahr zum Abschluss kommen."
Eine gemeinsame Verfassung für Europa?
Und wäre eine gemeinsame europäische Verfassung sinnvoll? Katarina Barley findet das schon. Es wäre gut, sich auf gemeinsame Werte zu verständigen – "Gerade heutzutage, wo wir feststellen, dass zum Beispiel beim Thema Rechtsstaatlichkeit die Auffassungen in der Europäischen Union sehr stark auseinandergehen, wenn ich an Polen und Ungarn denke."
Einer europäischen Verfassung wären alle verpflichtet. Das hätte viel für sich, so die Politikerin. Aber es würde auch sehr schwierig werden, das umzusetzen. Man könne da nicht ins Detail gehen, sondern müsste einen Grundkonsens formulieren, dem sich alle anschließen können: Gewaltenteilung, Gleichstellung von Mann und Frau oder die Unabhängigkeit in der Justiz nennt sie als Beispiele.