Im Fall des jahrzehntelangen, reihenweisen Missbrauchs von Kindern auf einem Campingplatz in Lügde beginnt der Prozess vor dem Landgericht in Detmold.
Über Jahrzehnte hinweg sind auf dem Campingplatz in Lügde, Ostwestfalen, Kinder missbraucht und zum Teil dabei gefilmt worden. Nun hat der Prozess begonnen. Angeklagt sind der mutmaßliche Haupttäter Andreas V., ein 56-jähriger Dauercamper, sowie als Mittäter Mario S. und Heiko V.. Insgesamt 450 Einzeltaten werden den Angeklagten vorgeworfen.
Der Tatvorwurf lautet auf schweren sexuellen Missbrauch. Dabei sollen Andreas V. und Mario S. die Kinder selbst missbraucht und gegenseitig zugeführt haben. Heiko V. soll über Video zugeschaut und Anweisungen gegeben haben.
Insgesamt 34 Opfer sind in der Anklageschrift verzeichnet. Die Opferzahl liegt weitaus höher. Aber die Staatsanwaltschaft wollte die Anklage jetzt auf den Weg bringen, nachdem die Fälle seit einem halben Jahr auch in der Öffentlichkeit bekannt sind. Eine relativ kurze Zeit verglichen mit anderen Fällen, sagt Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Vivien Leue.
Wegen Ermittlungspannen: Kinder könnten erneut aussagen müssen
Die Taten sollen im Zeitraum zwischen Sommer 1998 und Dezember 2018 passiert sein. Was das Ganze zusätzlich brisant macht: Bei den Ermittlungen gab es eine Serie von Pannen. So müssen vielleicht einige der Opfer aus der Anklageschrift vor Gericht erneut aussagen, weil die ersten Vernehmungen nicht so gerichtsfest aufgezeichnet wurden, dass das Videomaterial im Gerichtssaal ausreichend gewesen wäre. Für die Opfer eine erneute Konfrontation mit den traumatisierenden Erlebnissen, die einfach hätte verhindert werden können.
Wenn Kinder als Zeugen vernommen werden, erklärt Vivien Leue, passiert das immerhin nicht im Gerichtssaal und unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Der Richter trägt dabei auch nicht seine Robe, um die Kinder nicht einzuschüchtern. Und auch die Eltern dürfen dabei sein.
Zur Pannenserie bei den Ermittlungen gehört, dass Hinweise nicht nachverfolgt wurden, Datenträger verschwunden sind und Durchsuchungen schlampig durchgeführt wurden. Mit diesem Versagen auf Seiten der Polizei beschäftigt sich inzwischen ein eigener Untersuchungsausschuss. Die Folgen dieser fehlerhaften Ermittlungen sind, dass Beweismaterial vor Gericht möglicherweise nicht verwendet werden kann.
So wurden zum Beispiel mehrere Durchsuchungen durchgeführt, bei denen immer wieder neue Sachen gefunden worden sind. In diesen Fällen muss belegt werden können, dass die Beweismittel nicht nachträglich am Durchsuchungsort platziert wurden, sondern wirklich zum Beispiel dem Hauptverdächtigen gehören.
Zusätzlich gibt es Beweismittel, die nicht von der Polizei, sondern erst später von dem Abrissunternehmer gefunden wurden, der die Campingparzelle des Hauptangeklagten beseitigen sollte. Auch die sind nicht vor Gericht verwendbar, denn theoretisch hätten die eben nachträglich von dem Abrissunternehmer dort platziert werden können. Alles Versäumnisse, die einen Einfluss auf den Prozess haben, sagt Vivien Leue.
"Das sind schon wirklich grobe Fahrlässigkeiten, die sich dann am Ende im Prozess bemerkbar machen."
Dennoch liegt unzähliges Foto- und Videomaterial vor, das vor Gericht verwendet werden kann. Und es besteht die Hoffnung, dass das ausreicht. Die Vorsitzenden des Prozesses machen aber bereits im Vorfeld klar, dass die Versäumnisse der Polizei, aber auch des Jugendamtes bei den Verhandlungen mit angesprochen werden.