Matthias Kochanek ist anzuhören, dass er Kräfte gelassen hat in dieser Pandemie. Die Krankenhäuser und das Personal seien wegen der vielen Covid-Patient*innen wieder am Anschlag, berichtet der Mediziner. Was ihn am meisten bedrückt: Unsere Situation sei absehbar gewesen.
Knapp 29 Prozent der Intensivbetten in Thüringen sind mit Covid-Patientinnen und Patienten belegt, in Bayern sind es 26 Prozent, in Sachsen knapp 26 Prozent. Die Sieben-Tages-Inzidenzwerte haben etwa in diesen Regionen bislang nicht gekannte Höchstwerte erreicht. Im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge liegt die Inzidenz momentan bei 1.362.
Nordrhein-Westfalen hätte vielleicht ein bisschen mehr Glück, sagt Matthias Kochanek. Er leitet die internistische Intensivstation der Klinik für Innere Medizin der Universitätsklinik Köln. Über die Bettenkapazitäten seiner Klinik sagt er: "Wir haben circa 120 Intensivbetten hier. Wir können immer wieder versuchen auch Notfälle, die nichts mit Covid zu tun haben, zu versorgen."
Eine absehbare Situation
In Köln sind insgesamt laut der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin 32 von 334 Intensivbetten unbelegt. 48 Menschen werden dort momentan wegen Covid-19 intensivmedizinisch behandelt (Stand 16.11.2021). Die jetzige Situation sei absehbar gewesen, sagt Matthias Kochanek.
"Es ist von vielen Kollegen immer wieder angemahnt, auch in die Öffentlichkeit getragen worden. Trotzdem hat man keine Maßnahmen ergriffen."
Schon jetzt komme es in Deutschland vor, dass die Kapazitäten von Krankenhäusern erschöpft sind. Intensivpatient*innen würden dann in andere Krankenhäuser verlegt. Noch gehe das. Aber so ein Transport allein brauche Personal, das zur Verfügung stehen müsse, und die Verlegung dauere auch – im Schnitt vier bis fünf Stunden, erklärt der Oberarzt.
Aufwendige Transporte
Drei bis vier Menschen sind damit stundenlang beschäftigt. "Das ist schon ein sehr großer logistischer Aufwand", sagt Matthias Kochanek.
"Ein überregionaler Transport dauert bis zu fünf Stunden. Mindestens drei, vier Personen sind dann für diese ganze Zeit gebunden."
Bei ihm selbst und seinem Team mache sich Enttäuschung über Ungeimpfte, Querdenkende und Menschen, die die Pandemie negieren breit. Man fühle sich auch teilweise von der Politik alleingelassen. Dass wir momentan politisch in einer Übergangszeit seien, mache es nicht besser, sagt Matthias Kochanek, der bei allem Stress aber auch Verständnis für die Politik äußert, die auch in einer Pandemie agieren müsse, in der man vieles noch nicht wisse.
Was ihn extrem bedrückt, ist, dass er bei sich und seinem Team Spuren emotionaler Abstumpfung wahrnimmt.
"Man verspürt selber als auch im Gespräch mit Kollegen, mit Pflegekräften eine Abstumpfung im emotionalen Bereich."
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