Sie ist ein Ort, an dem wir quatschen, auch mal streiten – und dann wieder anstoßen. Doch in den vergangenen zehn Jahren hat jede dritte Kneipe in Deutschland dichtgemacht. Warum? Und wie haben es Kneipen wie die Lotta in Köln gepackt, am Leben zu bleiben?
Florian Brückner, Deutschlandfunk-Nova-Reporter erklärt, dass eine Kneipe in erster Linie ein Ort sei, an den man gehe, um etwas zu trinken. Doch das, was sie ausmache, sei die Atmosphäre drumherum: ungezwungen, bodenständig und ein bisschen rustikal.
Magie der Kneipe
Im Gegensatz zu stylishen Bars, die oft einem bestimmten Motto folgten, sei die Kneipe schlicht und gemütlich – eine "Wohnzimmererweiterung für das ganze Dorf oder das ganze Viertel", wie Brückner es beschreibt.
"Die Magie der Kneipe ist, dass man ins Gespräch kommt mit Leuten, bei denen man das vorher vielleicht nicht erwartet hätte."
Ähnlich äußerte sich Martin Franz, Professor für Humangeografie, der sich an der Universität Osnabrück unter anderem mit der Erforschung der Kneipenkultur beschäftigt. Franz betont, dass die Magie der Kneipe darin liege, dass man ins Gespräch mit Menschen komme, bei denen man dies zuvor vielleicht nicht erwartet hätte.
"Wenn die Kneipe ein Tier wäre, dann stünde sie auf der Roten Liste der gefährdeten Arten."
Doch genau diese Orte werden seltener: In den vergangenen Jahren hat jede dritte Kneipe in Deutschland schließen müssen. 2015 gab es noch etwa 31.000 Kneipen in Deutschland. 2022 waren es nur noch rund 21.000.
Warum Kneipen sterben...
Die Gründe für das Kneipensterben sind vielfältig. Die Corona-Pandemie hat viele Lokale an den Rand des Ruins gebracht, doch der Trend begann schon viel früher.
Martin Franz erklärt, dass ursprünglich die Verbreitung des Fernsehers und des Kühlschranks eine Rolle spielt. In den letzten Jahrzehnten kommt dann eine ganz andere Mediennutzung hinzu: das Internet, Streamingdienste und das Handy – all dies stellt eine Konkurrenz zur Kneipe dar.
"Die Kneipe konkurrierte zunächst mit der Verbreitung des Fernsehers und des Kühlschranks. In den letzten Jahrzehnten kam dann das Internet, Streamingdienste, das Handy als Konkurrenz zur Kneipe hinzu."
Hinzu kommen steigende Mieten und Lebenshaltungskosten. Viele Gäste können sich den Kneipenbesuch schlicht nicht mehr leisten, während die Wirte ihre Preise erhöhen müssen, um über die Runden zu kommen.
Ein weiteres Problem für Kneipen: Die Deutschen trinken weniger Alkohol. 2013 lag der durchschnittliche Bierkonsum pro Kopf noch bei 106 Litern, zehn Jahre später waren es nur noch 88 Liter.
... und wie Kneipen überleben
Trotz der schwierigen Lage gibt es Kneipen, die es schaffen, sich zu halten – oder sogar zu wachsen. Ein Beispiel ist die Lotta in Köln, die von einem Kollektiv betrieben wird.
Jan Schneidewind ist Teil dieses Kollektivs. Er sagt, dass sie einfach das Glück hätten, über die Jahre ein Standing aufgebaut zu haben. Stammgäste seien treu, und die Kneipe passe sich an.
Ein Erfolgsrezept sei es, neue Ideen auszuprobieren. Schneidewind berichtet, dass sie nach Corona damit begonnen hätten, Tanzabende zu veranstalten, die sie "Lotta tanzt" nennen.
Außerdem gebe es Bingo-Abende und ein Kneipenquiz, das immer brechend voll sei. Solche Events helfen nicht nur, den Laden voll zu bekommen, sondern sorgten auch dafür, dass die Kneipe im Gespräch bleibe.
"Wir haben nach Corona damit angefangen, Tanzabende zu veranstalten, wir nennen das 'Lotta tanzt'. Außerdem gibt es Bingo-Abende und ein Kneipenquiz – das ist immer brechend voll."
Schneidewind erklärt zudem, dass die Leute nicht um ein Uhr in den Club gingen, sondern bei ihnen blieben.
Doch nicht nur kreative Ideen hätten geholfen: Sie hätten zum Glück Rücklagen gehabt und schnell einen Biergarten eröffnet. Dadurch hätten sie finanziell überleben können.
Dennoch hätte auch die Lotta beinahe schließen müssen. Das Gebäude, in dem sich die Kneipe befindet, sollte verkauft und abgerissen werden. Doch dann gründeten Anwohner*innen einen Verein und kauften das Haus. Das sicherte der Lotta ihr Überleben, sagt Schneidewind.
Kneipe mit Zukunft
Trotz einzelner Erfolgsgeschichten bleibe die Lage für Kneipen in Deutschland schwierig. Martin Franz betont, dass es nicht die eine Entwicklung für alle gebe. Manche Kneipen würden weiterleben, weil sie eine gute Lage hätten oder Außengastronomie anböten. Andere hingegen würden verschwinden, weil sie keinen Nachfolger fänden oder der Umsatz nicht mehr stimme.
"Manche Kneipen werden weiterleben, weil sie eine gute Lage haben oder Außengastronomie anbieten. Andere werden verschwinden, weil sie keinen Nachfolger finden oder der Umsatz nicht mehr stimmt.“
Für Schneidewind liegt die Zukunft der Kneipe nicht in radikalen Veränderungen, sondern in ihrer Offenheit: Die Kneipe der Zukunft solle inklusiv sein, die Preise nicht zu hoch treiben und möglichst vielen Menschen einen Besuch ermöglichen. Manche Kneipen würden genau durch ihre Beständigkeit überleben – weil sie das böten, was viele trotz Netflix und Social Media nicht missen wollten: ein zweites Wohnzimmer.
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