Es kann losgehen mit den Koalitionsverhandlungen. SPD, Grüne und FDP haben ihnen intern jeweils zugestimmt. Kaum wird es konkret, beginnt die Feilscherei um die Ämter. Vor allem das Finanzministerium steht im Fokus – als prominente Anwärter gelten Christian Lindner und Robert Habeck.
"Es gibt das Bundeskanzleramt, es gibt das Finanzministerium, es gibt das Klimaministerium. Und ich bin der Meinung, jeder der Partner muss die Möglichkeit haben, auch gestalterisch zu wirken."
Jeder der drei möglichen Koalitionspartner müsse die Chance bekommen, "gestalterisch zu wirken“, so der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner in der ARD. Als er dabei Bundeskanzleramt, Finanzministerium und Klimaministerium aufzählte, klang das schon ziemlich konkret: Das Kanzleramt für die SPD, die Grünen wollen bestimmt das Klima, und wir machen dann die Finanzen. Problem: Auch Robert Habeck soll Lust haben, Finanzminister zu werden.
Finanzministerium entscheidet Steuerfragen
Aber warum scheint gerade dieser Posten so beliebt zu sein? Bei den drei möglichen Koalitionspartnern sei nun mal vor allem das Thema Finanzpolitik sehr strittig, sagt die Politikwissenschaftlerin Svenja Krauss. Stichwort Steuererhöhungen, die die FDP kategorisch ablehnt. Für das Thema Steuern ist das Finanzministerium verantwortlich. Grüne und SPD wollen Steuererhöhungen, die FDP nicht. Das sei eine wichtige Verhandlungsmasse in den Koalitionsverhandlungen.
Natürlich könne ein FDP-Finanzminister jetzt auch nicht sagen "Nö, mit mir gibt’s keine Steuererhöhungen", wenn diese entsprechend vereinbart worden seien. Bei außergewöhnlichen Belastungen des Bundeshaushaltes habe die Finanzministerin bzw. der Finanzminister allerdings schon das Sagen und müsse zustimmen, erklärt die Politikwissenschaftlerin. Insofern könne es durchaus relevant sein, wer denn jetzt am Ende dieses Amt bekommt. Die großen Richtungsentscheidungen müssten aber natürlich bereits vorher in den Koalitionsverhandlungen vereinbart werden.
"Das Finanzministerium wird in den nächsten fünf bis zehn Jahren extrem wichtig sein."
Seit der Finanzkrise 2008 sei der Stellenwert der Themen Finanzen und Geldangelegenheiten noch einmal deutlich gewachsen. Und natürlich habe auch die jüngste Corona-Krise nicht nur Auswirkungen auf das Gesundheitssystem, sondern auch auf Wirtschaft und Finanzen. Das Finanzministerium wird in den nächsten fünf bis zehn Jahren also extrem wichtig sein, glaubt Svenja Krauss. Eine Partei wie die FDP wolle sich dort dementsprechend sehr stark positionieren.
Die Politikwissenschaftlerin geht davon aus, dass sich Christian Lindner am Ende mit seinem Wunsch, Finanzminister zu werden, durchsetzen wird. Gerade weil SPD und Grüne inhaltlich recht nah beieinanderliegen, könnten sie "der FDP nicht auch noch das Finanzministerium wegnehmen". In diesem Fall könnte nämlich "wieder das Gleiche passieren wie bei den Jamaika-Verhandlungen", vermutet Svenja Krauss.
Außenministerium durch Merkel "entmachtet"
Deutlich repräsentativer scheint – oder schien zumindest früher – das Außenministerium zu sein. Amtsträger wie Hans-Dietrich Genscher (FDP), Joschka Fischer (Grüne) oder Frank-Walter Steinmeier (SPD) hatten dort hohe Beliebtheitswerte. Doch über das Außenministerium spricht momentan irgendwie niemand mehr.
"Nach Merkel ist das Außenministerium irgendwie nicht mehr so relevant. Auf internationaler Bühne unterwegs war eigentlich immer die Bundeskanzlerin."
Das habe zum einen damit zu tun, was in der Welt gerade los ist – und zum anderen mit Angela Merkel, sagt Svenja Krauss. In ihrer 16-jährigen Amtszeit habe das Außenministerium an Bedeutung verloren. Denn es sei vor allem die Kanzlerin selbst gewesen, die international in Erscheinung trat. Ihre Präsenz habe das Außenministerium sozusagen "bis zu einem gewissen Grad entmachtet".