Was ist es, was uns bei Glücksspielen antreibt: Versuchen wir eher ein zu großes Risiko zu vermeiden oder geben wir dem Rausch nach, den eine Glückssträhne verursacht, weil wir unseren Gewinn maximieren wollen? Und kann auch eine Balance erlangt werden?

Am 18. August 1913 wird in einem Spielcasino in Monte Carlo das Unmögliche möglich. Die Kugel am Roulettetisch landet zwanzig Mal auf schwarz. Immer mehr Menschen scharen sich um den Tisch, um auf rot zu setzen und verzocken dabei wohl einen Großteil ihres Geldes. Denn erst beim 26. Mal landet die Kugel wieder auf rot. Seitdem ist bis heute kein weiterer Fall bekannt, bei dem das so oder ähnlich gelaufen ist.

"Das ist etwas das Problem in unserem Denken, dass wir nicht in der Lage sind, Wahrscheinlichkeiten zu berechnen und beim Glücksspiel kommt noch hinzu, dass wir immer versuchen, unsere Erwartungshaltung ständig anzupassen."
Henning Beck, Neurowissenschaftler

Zwei grundsätzliche Entscheidungstheorien gibt es bisher zu Glücksspielen: Bei der ersten basiert unser Verhalten auf der Verlustvermeidung. Wir versuchen alles, was wir besitzen, zusammen zu halten. Das hat zur Folge, dass wir auch beim Glücksspiel vorsichtig vorgehen.

In der zweiten Theorie versuchen wir durch unser Verhalten unser Glück zu maximieren: Eine Glückssträhne sorgt für ein positive Gefühl. Das Gehirn will das Maximum aus diesem positiven Erlebnis herausziehen, also den Gewinn maximieren. Eher eine dynamische Herangehensweise, bei der die Erwartungen an das Erlebte angepasst werden.

Bei dem Wunsch nach Minimierung des Verlustes sind Areale aktiv, die die Vermeidung von Verlusten steuern. Wenn unsere Erwartungen sich an der Maximierung von Belohnung orientieren, sind Areale wie das Glückszentrum aktiv. In der Fachsprache wird es als ventrales Tegmentum bezeichnet.

Bei Glücksspielen passen wir unser Denken an die Situation an

Um diese Theorien zu prüfen, wurden den Probanden in einer Studie viele verschiedene Glücksspiele zur Verfügung gestellt. Sie wurden darüber informiert, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass sie gewinnen werden und wurden dann viele Male gefragt, ob sie das Spiel spielen möchten oder nicht.

Positive Erfahrung beim Glücksspiel wirkt sich auf unsere Erwartung aus

Wer beispielsweise auf eine Zahl gesetzt hatte, die in kurzer Zeit zweimal fiel, wertete das als Erfolg und ging davon aus, dass er oder sie auch in Zukunft Glück haben müsse. Auch wenn es dafür keinerlei rational nachvollziehbaren Gründe gab. In diesen Fall wurden die Erwartungen aufgrund der Erfahrungen dynamisch angepasst.

"Das Gehirn passt dann tatsächlich die Erwartungshaltung so an, dass wir denken, die Zukunft ist besser, als sie tatsächlich ist, wenn sie in der Vergangenheit schon gut war."
Henning Beck, Neurowissenschaftler

Ähnliche Experimente wurden auch mit Affen durchgeführt: Eine Art Glücksspiel wurde durchgespielt, bei dem die Affen mit Saft belohnt wurden, wenn sie einen Kopf gedrückt haben. Das vergleichbare Verhalten, das Menschen und Affen gezeigt haben, führt Henning Beck darauf zurück, dass die beiden Spezies sozusagen ein evolutionär verankertes Programm abspulen.

Das heißt, es kann schwer sein, gegen den Wunsch der Gewinnmaximierung anzukämpfen. Das macht es für manche Menschen möglicherweise dann auch schwer, aufzuhören, wenn sie einmal mit dem Spielen begonnen haben.

Dann kann es nur helfen, sich selbst spezielle Schranken aufzuerlegen, sagt Henning Beck. Also Kriterien festzulegen, bei den wir aufhören, Glücksspiele zu spielen, sobald sie erreicht sind. Das sei die einzige Chance, dem Rausch zu entgehen. Denn eigentlich seien wir evolutionär darauf programmiert, sozusagen anatomisch darauf eingestellt, diesen Rausch zu erreichen, der bei einer Gewinnmaximierung einsetze, sagt der Neurowissenschaftler.

"Wenn ich so eine Glückssträhne habe, dann versuche ich die dann auch auszunutzen. Das könnte auch evolutionären Vorteil gehabt haben, also wenn es tatsächlich günstige Umstände gab in unserem Leben."
Henning Beck, Neurowissenschaftler
Shownotes
Kognition
Glückserfahrung im Spiel kann risikofreudiger machen
vom 20. Mai 2023
Moderation: 
Rahel Klein
Gesprächspartner: 
Henning Beck, Neurowissenschaftler