Digitale Nomaden profitieren doppelt: Sie verdienen mit ihrem Job, den sie mobil von überall erledigen können, als wären sie in Deutschland, haben aber beispielsweise in Kolumbien viel geringere Lebenshaltungskosten. Das sorgt in Medellín für Probleme.
Medellín ist die zweitgrößte Stadt Kolumbiens und inzwischen eine beliebte Metropole in Südamerika. Früher war sie eher berühmt für Drogenkartelle, Paramilitärs und offene Gewalt auf der Straße.
Die Stadt wirbt mittlerweile mit kulturellen und landschaftlichen Attraktionen um Tourist*innen. Klimatisch bietet die Region ganzjährig angenehm milde Temperaturen. Ideal für alle, die mit den Jahreszeiten bei uns nicht klarkommen. Neben dem Tourismus will die Stadt digitalen Nomaden den Aufenthalt erleichtern: Kolumbien bietet für diese digitale Nomaden ein spezielles Visum an. Als Tourist kann man sechs Monate im Land bleiben.
Ideale Bedingungen, die Mustafa aus Deutschland für sich nutzt, ohne den kritischen Aspekt zu verleugnen: "Die Lebenshaltungskosten sind aus meiner Perspektive günstig. Für die Kolumbianer selbst ist das Leben ein Kampf, das kann man nicht anders sagen."
Preistreiber Ex-Pats
Denn Mustafa kann sich ein Apartment für umgerechnet 950 Euro leisten, das für die Menschen in Medellín unerschwinglich ist. So treiben die digitalen Nomaden die Preise nach oben. Ein Mittagsmenü für 4,50 Euro ist für Mustafa kein Thema, Einheimische müssen dagegen fast einen halben Tag dafür arbeiten. Letzlich stellen sich immer mehr Angebote auf die ausländischen Gutverdienenden ein.
Ana aus Medellín macht sich deshalb sorgen, denn die Kaufkraft der Einheimischen schwindet immer mehr. Zunehmend greift eine Gentrifizierung um sich, Wohnungen werden in Airbnb-Apartments umgewandelt, Hotels werden gebaut und die Menschen sehen sich gezwungen in andere Stadtteile zu ziehen, sagt Ana.
"Gentrifizierung ist der neue Kolonialismus"
Mit Freund*innen will sie sich gegen diese Entwicklung wehren und macht eine Protestkampagne mit Plakaten, auf denen "Gentrifizierung ist der neue Kolonialismus" oder "Tausche AirBnB gegen echte Nachbarn" steht.
"Wir haben uns gefragt, was können wir dazu beitragen, dass hier in den Vierteln das soziale Netz nicht total auseinanderbricht? Wie können wir erreichen, dass man sich in der Stadt wenigstens Gedanken über die Probleme macht?"
Noch hat die Politik keine Antworten auf Anas Fragen. Bislang ist der Wohnungsmarkt in Kolumbien nur wenig reguliert, das macht es leicht, gleich mehrere Wohnungen auf einmal in Airbnb-Angebote umzuwandeln.
So denken allerdings nicht alle Bewohner*innen von Medellín: Rodrigo, Kiosk- und Wohnungsbesitzer, profitiert von dieser Entwicklung. Er lehnt Regulierungen auf dem Immobilienmarkt ab und findet, dass sich die Bevölkerung in Medellín an die neuen Gegebenheiten anpassen müsste.
"Ich sage das seit Langem: In Medellín wird in Zukunft nicht mehr wohnen, wer will, sondern wer es sich leisten kann."