In Bahnen, Bussen und auf öffentlichen Plätzen soll vermehrt kontrolliert werden, ob wir einen Mundschutz tragen. Regeln und die Kontrolle, ob wir sie auch einhalten, gehören für uns zum Alltag. Aber warum eigentlich? Brauchen wir Kontrollen wirklich, um Regeln einzuhalten? Nicht immer.
Hunderte Bundespolizistinnen und Sicherheitsmitarbeiter der Deutschen Bahn kontrollieren seit Montag (07.12.) in ganz Deutschland die Einhaltung der Maskenpflicht in Zügen, Straßenbahnen, Bussen und auf öffentlichen Plätzen. Wir kennen Kontrollen aus vielen Bereichen des Lebens, zum Beispiel Ticket-Kontrollen oder Überprüfungen im Straßenverkehr. Und dennoch: Wir brechen diese Regeln immer mal wieder. Wir fahren ohne Ticket, parken falsch oder werfen Kippen auf die Straße. Immer mit dem Risiko, erwischt zu werden. Liegt es allein an einer möglichen Kontrolle, ob wir Regeln einhalten oder nicht?
Das psychologische Experiment
Roland Pfister ist Psychologe an der Universität Würzburg. Er forscht zu Regeln und will wissen: Wie leicht oder wie schwer fällt es uns, sie zu brechen? Um Antworten zu bekommen, hat Roland Pfister mehrere Studien durchgeführt, unter anderem diese: Probanden spielen ein Computerspiel, in dem sie so schnell wie möglich mit dem Fahrrad Pizza ausliefern sollen. Gesteuert wird per Tastatur. "Und ein wichtiges Element, das wir jetzt manchmal einbauen, ist zum Beispiel eine Einbahnstraße", erklärt der Psychologe.
Falsch herum durch die Einbahnstraße geht es schneller als außen herum. Trauen sich die Probanden, die Regeln zu brechen und verbotenerweise durch die Einbahnstraße zu fahren?
Bei dem Spiel gibt es keine Polizei und keine Strafen für Regelbrüche. Mit einem einfachen Tastendruck können die Spielenden der Spielfigur sagen: Fahr durch die verbotene Straße. Je länger sie aber für diesen Tastendruck brauchen, umso stärker zögern sie. Heißt: Umso schwerer fällt ihnen der Regelbruch.
"Sobald sich die Leute dem Einbahn-Straßenschild nähern, zögern sie schon ein kleines bisschen. Und vor allem dann, wenn sie in diese Straße reinfahren, sieht man, dass dieser Tastendruck, der einen über dieses Einbahn-Straßenschild rüber bringt, dass der deutlich schwerer fällt als alle anderen."
Roland Pfister sagt, dass es deutlich zu merken ist, wie schwer den Spielenden dieser Regelbruch fällt – obwohl es keine Sanktionen gibt. Der Psychologe schließt daraus, dass es tief in unserem Gehirn verankert ist, Regeln zu befolgen: "Und das Ganze hat wohl noch tieferliegende Gründe, als einfach nur eine Angst vor Bestrafung."
Angst vor Strafe und sozialer Kontrolle
Natürlich ist diese Angst vor Strafen ein Faktor, der uns vom Regelbruch abhält. Es gibt aber noch mehr, weiß Gina Wollinger, Kriminologin an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung NRW. Sie sagt, das Einhalten von Regeln hänge damit zusammen, dass wir verbindlich sein wollen. Und es hat auch mit unseren Wertvorstellungen zu tun – und mit der Angst vor sozialer Kontrolle.
Das können Leute in der Nähe sein, Freunde, Familie, Bekannte oder natürlich die Staatsgewalt. Dabei ist die Höhe einer Strafe aber nicht so wichtig wie das grundsätzliche Risiko, erwischt zu werden.
"Bekommt es jemand mit? Das ist so der erste Schritt, natürlich. Und wenn ich davon ausgehe, es ist wahrscheinlich, dass es jemand mitbekommt, ist natürlich die nächste Frage: was folgt daraus? Kriege ich nur mißbilligende Blicke oder ist das etwas, was auch strafrechtlich relevant ist?"
Nach Gina Wollinger sind Kontrollen ein entscheidender Faktor, ob eine Regel eingehalten wird oder nicht. In dem Experiment von Roland Pfister gibt es solche Kontrollen jedoch nicht. Und trotzdem fahren nicht alle Probanden entgegengesetzt durch die Einbahnstraße – und die, die es tun, denen fällt es schwer. Warum?
Roland Pfister vermutet, dass Regeln es unserem Gehirn einfacher machen, Vorhersagen zu treffen, was gleich passieren wird. Und damit auch Entscheidungen zu treffen. Deshalb will das Gehirn so oft wie möglich Regeln befolgen. Und wenn wir uns einer Regel widersetzen, dann kostet es unser Gehirn eine gewisse Überwindung.
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