Konzerte in Corona-Zeiten sind quasi unmöglich. Viele Musiker weichen daher auf Live-Streams aus. Die Konzerte sind umsonst. Toll für die Fans, schlecht für die Musiker – denn viele verdienen damit wenig bis gar kein Geld. Und das sorgt so langsam für Frust.

Am 6. Juni hat sich Esther Klever mit ein paar befreundeten Musikern im Backstagebereich einer großen Event-Location in Köln getroffen. Von dort wollen sie ein Konzert live bei Facebook streamen. Für die Musikerin heißt das: Eineinhalb Stunden vor Auftritt kommen, alles aufbauen, zwei Stunden Konzert, dann der Abbau. Das kostet nicht nur Zeit, sondern auch Geld. Deshalb haben sie online um Spenden gebeten. Doch keiner der Zuschauer überweist Geld. Auch wenn Esther und ihre Band keine hohen Einnahmen erwartet haben, damit hätten sie nicht gerechnet, sagt sie enttäuscht.

"Als es dann nach unserer Session hieß, wir haben 0 Euro eingenommen, da war ich wirklich entsetzt. Das war wirklich wie ein Schlag ins Gesicht."
Esther Klever, Musikerin

Einkommen ist gleich null

Esther Klever ist Saxofonistin. Sie spielt normalerweise im Rundfunk Tanzorchester Ehrenfeld – bekannt aus dem Neo Magazin Royale. Seit Beginn der Pandemie gibt sie mit Freunden und Kollegen Livekonzerte im Netz. Am Anfang sammeln sie Spenden für den guten Zweck – mit Erfolg. Aber irgendwann merken sie: Eigentlich brauchen sie jetzt das Geld selbst. Denn ihr Einkommen ist gleich null.

Als Musiker Geld zu verdienen, ist sowieso eine schwierige Sache. Alben verkaufen sich immer weniger, von Streams und Klicks können nur die wirklich großen Bands und Künstler leben. Was bleibt, sind Auftritte und Konzerte. Aber online sei kaum einer bereit, dafür Geld zu bezahlen, sagt die Sängerin Eileen Hemmersbach. Deshalb hat sie für sich entschieden, keine Konzerte im Netz zu streamen.

"Es ist einfach die Mentalität, das im Internet alles kostenlos ist. Ich habe mich deshalb dagegen entschieden, weil viele Menschen den Wert der Musik oder von uns Künstlern überhaupt nicht schätzen."
Eileen Hemmersbach, Sängerin

Die Existenzangst ist groß

Eileen hat die Befürchtung, durch kostenlose Konzerte im Internet entstehe das Bild einer Branche, der es eigentlich ganz gut gehe. Dabei werde die Lage immer schlimmer. Denn durch Konzerte im Internet können die meisten Musiker und Musikerinnen noch lange nicht ihre Lebenshaltungskosten decken.

"Meine größte Angst ist, dass wir jetzt überhaupt nicht mehr beachtet werden. Und die Menschen nicht sehen, dass Konzerte im Internet keine Grundlage für uns ist."
Eileen Hemmersbach, Sängerin

Dazu kommt das Überangebot an Online-Konzerten: Überall poppen Nachrichten auf, welche Band, wo im Netz zu sehen ist. Dadurch kommen professionelle Musiker in die unangenehme Situation, Bittsteller zu werden – wie Esther Klever. Denn wer kein Geld verdient, ist auf die Großzügigkeit der Zuschauer angewiesen. Deshalb hat auch Esther eine Entscheidung getroffen: Sie will ab jetzt nur noch vor Publikum auftreten.

Shownotes
Konzert-Streaming
Warum Musiker und Musikerinnen die Faxen dicke haben
vom 25. Juni 2020
Moderator: 
Ralph Günther
Gesprächspartner: 
Timo Nicolas, Deutschlandfunk-Nova-Reporter