Kunst als Beute

Auf den Spuren kolonialer Raubkunst

Mitte Dezember öffnet das Berliner Humboldt Forum – erstmal nur digital. Um das neue Museum wird seit Jahren gestritten. Die ethnologische Sammlung, die dort gezeigt werden soll, stammt auch aus ehemaligen deutschen Kolonien. Die Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy über den Weg dieser Objekte.

Wenn Kunstobjekte bei Eroberungen oder im Krieg erbeutet wurden, stellt sich die Frage, ob diese Kunst später zurückgegeben werden sollte. Das nennt man Restitution. Ihr kennt den Begriff vielleicht aus Berichten über Raubkunst aus dem Nationalsozialismus. Auch in der Kolonialzeit wurde Kunst gestohlen. Viele Objekte befinden sich bis heute in Europa. Es wird vermutet, dass über 90 Prozent des Kulturerbes von Subsahara-Afrika in westlichen Museen liegt.

"Berlin hatte ab 1886 ein eigenständiges Völkerkundemuseum, das es zu füllen galt. Und dieses Museum ist der Vorfahre des Humboldt Forums."

Die ethnologischen Sammlungen des Humboldt Forums umfassen insgesamt rund 500.000 Exponate. Nicht an allen Objekten klebe Blut, aber an sehr vielen, sagt Bénédicte Savoy. Sie ist Kunsthistorikerin an der Technischen Universität Berlin. Zusammen mit dem senegalesischen Ökonomen und Sozialwissenschaftler Felwine Sarr hat sie Frankreich bei der Rückgabe von kolonialer Raubkunst beraten.

Selbstbedienung in den Kolonien

Bénédicte Savoys Vortrag ist eine Reise in die koloniale Vergangenheit Deutschlands. Sie beschreibt, wie afrikanische Kunstwerke in die Museen in Leipzig, Berlin oder Stuttgart kamen. Insbesondere Afrika-Reisende, also Missionare, Wissenschaftler, Soldaten und Kolonialbeamte hatten die Möglichkeit, sich vor Ort zu bedienen, erklärt Savoy.

"Sie kamen in ein Dorf, haben die Türen des Autos aufgemacht, so viel wie möglich reingetan, alles dokumentiert und sind zum nächsten Dorf gefahren."

Während ihrer Forschungsarbeit hat die Kunsthistorikerin herausgefunden: Selten wurden die Objekte damals freiwillig abgegeben, häufig war es Erpressung und sogar Diebstahl. "Und im Hintergrund, 5000 Kilometer davon entfernt, saßen, in Paris, in London, in Berlin die Museen, Museumsleute, die eine Art Fernsteuerung betrieben haben", so Bénédicte Savoy. Die Völkerkundemuseen Europas hätten um die besten Kunstwerke aus Afrika regelrecht konkurriert und den Kunstraub aktiv vorangetrieben.

"Genau in dem Jahr, in dem Afrika aufgeteilt wird, entstehen überall in Europa Museen, die sehr scharf darauf sind, ihre Sammlungen zu füllen."

"Diese koloniale Vergangenheit der Museen führt dazu, dass sich zunehmend ein Unbehagen im Museum entfacht hat," sagt Bénédicte Savoy. Der Impuls dafür kam jedoch aus Afrika. Seit den 1970er Jahren fordern afrikanische Länder ihre Kunstwerke zurück.

Zurückhaltung bei Museen in Deutschland

Dieses Unbehagen habe jedoch bisher in Deutschland nur in den seltensten Fällen zur Rückgabe afrikanischer Objekte geführt. Auch handelten die Museen hierzulande intransparenter als in anderen Ländern, meint die Kunsthistorikerin:

"Anders als in Frankreich, Großbritannien und anderen europäischen Ländern, gibt es in Deutschland keine öffentlich zugänglichen Museumsbestandslisten." So sei es für schwierig, die Herkunft der Objekte zu erforschen.

"Geraubtes Erbe. Wie afrikanische Objekte in unsere Museen kamen" heißt der Vortrag von Bénédicte Savoy. Sie hat ihn am 23. Oktober 2019 im Rahmen der DFG-Reihe "Exkurs - Einblick in die Welt der Wissenschaft" in Leipzig gehalten.

Shownotes
Kunst als Beute
Auf den Spuren kolonialer Raubkunst
vom 12. Dezember 2020
Moderatorin: 
Nina Marie Bust-Bartels
Vortragende: 
Bénédicte Savoy, Kunsthistorikerin und Provenienzforscherin, Technische Universität Berlin