Bei seinem Umzug ins Amsterdamer Rathaus wurde das Rembrandt-Gemälde "Die Nachtwache" beschnitten, weil das Bild zu groß war. Einer KI ist es gelungen, die fehlenden Teile nach über dreihundert Jahren zu ergänzen.
Die Nachtwache ist eines der bekanntesten Gemälde des niederländischen Malers Rembrandt van Rijn, der für seine virtuose und gleichzeitig dramatischen Beleuchtung in seinen Bildern bekannt ist. Oft hatte er einen unkonventionellen Ansatz in der Darstellung derer, die er porträtiert hat. So auch in seinem 1642 entstanden Gemälde "Die Nachtwache".
Das Gemälde hängt im Rijksmuseum in Amsterdam und wird seit zwei Jahren aufwendig analysiert, restauriert und mithilfe einer Künstlichen Intelligenz rekonstruiert. Die Restaurateure arbeiten das Gemälde in einem Glaskasten mitten im Museumssaal auf, sodass man ihnen dabei zusehen kann.
Nur diejenigen, die gezahlt haben, sind erkennbar
Das Bildnis ist eine Auftragsarbeit. Bezahlt wurde es von einigen Mitgliedern der Büchsenschützengilde. Ungewöhnlich ist die Darstellung der Männer: Sie stehen nicht in steifer Aufreihung da, sondern als dynamische Gruppe bewaffneter Männer. Und alle sind unterschiedlich gekleidet.
Im Vordergrund befinden sich, dramatisch beleuchtet, ein Hauptmann und sein Leutnant, die sich unterhalten. Dazwischen sind noch mehr Figuren zu sehen, die man allerdings nicht erkennen kann. Rembrandt hat nur diejenigen porträtiert, die ihm Geld für die Auftragsarbeit gezahlt haben.
Möglicherweise hat sich Rembrandt mit einem Selbstbildnis auf diesem Gemälde verewigt. Das ist nicht unüblich für den Maler und seine Zeit.
Zu großes Gemälde wird beim Umzug ins Rathaus beschnitten
1715 ist das Gemälde innerhalb von Amsterdam umgezogen: Von dem Gebäude der ehemaligen Büchsenschützengilde ins damalige Rathaus. Die ursprüngliche Größe betrug zu diesem Zeitpunkt 3,60 Meter zu 4,30 Meter.
Für den Ort, an dem das Bild aufgehängt werden sollte, war es einfach zu groß. Kurzerhand wurde an jeder Seite des Kunstwerks ein Streifen abgeschnitten. Experten gehen davon aus, dass Original-Reste entsorgt wurden, weil sie nie aufgefunden werden konnten. Denn damals galt Rembrandt noch nicht als der größte aller niederländischen Maler.
Kopie des Gemäldes angefertigt
Einer der Männer, die auf dem Rembrandt-Bild dargestellt sind, hatte für seine Privat-Galerie eine Kopie anfertigen lassen. Das war im Jahr 1653, rund 60 Jahre, bevor das Bild beschnitten wurde.
Auf dem Bild des Kopisten, des Malers Gerrit Lundens, kann man erkennen, wie Rembrandts Gemälde im Original ausgesehen haben muss. Gerrit Lundens Werk ist zwar deutlich kleiner und sein Stil nicht so überragend wie der von Rembrandt, trotzdem bekommt der Betrachter oder die Betrachterin einen guten Eindruck vom Originalwerk.
Methode bei der Rekonstruktion
Für die Rekonstruktion des Rembrandt-Gemäldes haben die Restauratoren die beiden Bilder digital übereinandergelegt. Das heißt, sie haben wichtige Punkte auf beiden Bildern markiert. Danach wurde die Kopie von Gerrit Lundens auf Größe und Proportion der originalen "Die Nachtwache" gezogen.
Im Anschluss hat die Künstliche Intelligenz dann sozusagen den Stil von Lundens korrigiert und das komplette Bild im Stil vom Rembrandt nachgezeichnet.
Um dieses Ergebnis zu erlangen, haben die Expertinnen und Experten zwei Scans gemacht: einen von Gerrit Lundens Bild und einen vom beschnittenen Original. Im nächsten Schritt haben sie jeden Scan in tausende kleine Punkte zerlegt.
Der Algorithmus hat gelernt zu unterscheiden, in welchem Stil Gerrit Lundens gemalt hat und in welchem Stil Rembrandt. Auf diese Weise ist es der KI gelungen die Kopie im Stil von Rembrandt Original zu malen. Und zwar auch die Teile vom Bild, die beim Original fehlen.
Die fehlenden Teile des Gemäldes
Der größte Streifen des Gemäldes fehlt am rechten Rand. An dieser Stelle wurden drei Figuren weggeschnitten. Unter anderem befanden sich auf dem fehlenden Stück Leinwand zwei Männer, deren Gesicht zu erkennen war.
Am linken Rand hat die KI den Helm eines Soldaten ergänzt. Der Torbogen am oberen Rand des Bildes wurde wieder vervollständigt. Am unteren Rand des Gemäldes hat die KI einen schmalen Streifen Fußboden hinzugefügt.
Für Kunsthistorikerinnen und -historiker ist die Rekonstruktion mithilfe einer KI ein spektakuläres Ereignis.