Einmal pro Woche rollt der Moskau-Nizza-Express: 3300 Kilometer legt er in 49 Stunden zurück. Ganz schön lang, aber schön, erzählt Philipp Lemmerich. Der Reporter hat viel Zeit am Zugfenster verbracht und sich mit vielen Menschen unterhalten.

Keine Frage, mit dem Flugzeug wäre Philipp Lemmerich viel schneller gewesen. Die 3300 Kilometer lange Strecke von Moskau nach Nizza dauert mit dem Zug 49 Stunden. Gut zwei Tage für 300 Euro. Das ist nicht gerade ein Schnäppchen. Aber die Reise hat sich gelohnt, sagt Philipp Lemmerich, der mitgefahren ist und von seinen Erfahrungen berichtet.

Zugführer nennt den Zug: "Haus auf Rändern"

Klar, Zugfahren ist die klimafreundlichere Alterternative. Aber so entschleunigt zu reisen, liegt nicht jedem. Philipp Lemmerich sagt, er habe mit dem langen Sitzen kein Problem gehabt. Der Moskau-Nizza-Express sei nicht zu vergleichen mit anderen Zügen. Selbst der Zugführer nennt ihn liebevoll "Haus auf Rädern".

"Der Zugchef ist so ein Schaffner, wie man ihn sich vorstellt – blaue Uniform, Schirmmütze, großer Schnauzer. Sein Großvater war schon Eisenbahner, sein Vater auch. Er nennt den Zug liebevoll 'Haus auf Rädern'."
Philipp Lemmerich ist mit dem Moskau-Nizza-Express gefahren
Ein Zugabteil mit Schlafmöglichkeit.
© Deutschlandfunk Nova | Philipp Lemmerich
Zugabteil im Mosaku-Nizza-Express

In diesem "Haus auf Rädern" gibt es weiche Sitze, Etagenbetten zum Schlafen und sogar saubere Toiletten und warmes Wasser zum Duschen, sagt Philipp Lemmerich. Wem es im Abteil langweilig wird, gehe ins Bordrestaurant. Die Menschen im Zug seien alle entspannt. Möglicherweise liege es aber auch daran, dass ihnen nichts anderes übrig bleibt. Schließlich sei mit dem Einsteigen in den Zug klar: Ab jetzt hat jeder Zeit.

Zeit für Gespräche

Während seiner gut zweitägigen Reise lernt Philipp Lemmerich einige Menschen etwas besser kennen. Wie die 25-jährige Paulina zum Beispiel, die nach einiger Zeit in Moskau wieder zurück nach Wien zieht.

"Ich wollte etwas ganz Besonderes machen. Ich liebe Züge, ich liebe lange Zugfahrten, von daher wirkte das hier wie das beste Ende meiner Zeit in Moskau."
Paulina, 25 Jahre alt, reist mit dem Moskau-Nizza-Express nach Wien

Zugfahrt als Teil des Urlaubs

Zug steht im Bahnhof
© Deutschlandfunk Nova | Philipp Lemmerich
Zug fährt in Bahnhof ein.

Einige der Reisenden im Moskau-Nizza-Express haben Angst vor dem Fliegen und sind deshalb mit dem Zug unterwegs. Andere haben Herzprobleme und dürfen nicht Fliegen. Wieder andere haben sich bewusst für die lange Reise entschieden und sehen sie als Teil des Urlaubs. Zugführer Alexander Petrowitsch glaubt, es ist der Wunsch, zur Ruhe zu kommen.

"Die Leute wollen näher am Leben sein, denn das Leben ist sehr kurz. Und wenn du im Zug fährst, erholst du dich und siehst mehr vom Leben."
Alexander Petrowitsch, Zugführer des Moskau-Nizza-Expresses

Auch Philipp Lemmerich hat lange Zeit am Panoramafenster gesessen und einfach nur rausgeschaut. Die Reise führt durch sieben Länder – von Russland bis nach Frankreich. "Das Faszinierendste war eigentlich, dass man einmal quer durch ganz Europa reist. Der Osten von Polen ist einfach komplett anders als der Süden von Frankreich, und trotzdem gehört es irgendwie zusammen."

Und wer abends im Speisewagen noch etwas länger sitzen bleibt, erlebt vielleicht auch, wie die Crew noch ein bisschen Party macht, erinnert sich Philipp Lemmerich.

"Der Zugchef kam zum Feierabend mit einer kleinen Wodka-Flasche vorbei – 'ein bisschen Coca-Cola', so hat er das genannt. Das war schon ziemlich lustig."
Philipp Lemmerich war zwei Tage mit dem Moskau-Nizza-Express unterwegs
Shownotes
Zugfahren
Moskau-Nizza-Express: 49 Stunden auf der Schiene
vom 20. Januar 2020
Moderatorin: 
Tina Howard
Gesprächspartner: 
Philipp Lemmerich, Deutschlandfunk Nova